Aktion Gesundes Volk 1956

"Mehr Verantwortung - weniger Alkohol" - "Mehr Verantwortung - kein Alkohol am Steuer"

(Auszug aus dem Urteil der Verwaltungsrechtlichen Kammer des Bundesgerichtes vom 25. Januar 1957)

...A. Einem Begehren der Aktion "Gesundes Volk" entsprechend, erklärte sich die eidg. Postverwaltung Ende 1955 bereit, auf den Postsendungen in verschiedenen Städten neben dem Poststempel eine Werbeflagge mit dem Text "Mehr Verantwortung - weniger Alkohol" und der Abbildung einer Weinflasche einzusetzen. Weil gewisse am Alkoholkonsum interessierte Kreise diese Flagge beanstandeten, wurde sie im Frühling 1956 zurückgezogen und ersetzt durch einen Stempel mit dem Text "Mehr Verantwortung - kein Alkohol am Steuer" und der Abbildung eines Automobils. Der Schweizerische Weinhändlerverband, der Verband schweizerischer Weinimporteure en gros, die Interessegemeinschaft für den schweizerischen Weinimport, die Fédération romande des vignerons und der Verband des schweizerischen Spirituosengewerbes ersuchten die Generaldirektion der PTT, auch diese Werbeflagge unverzüglich zurückzuziehen. Die Direktion der Postabteilung lehnte das Begehren mit Schreiben vom 17. Juli 1956 ab. Der Weinhändlerverband und die Firma Berger & Co., Weine und Spirituosen, in Langnau i.E., wandten sich nochmals an die Generaldirektion der PTT, worauf diese mit Entscheid vom 28. Juli 1956 die Stellungnahme der Postabteilung bestätigte.

B. Mit der vorliegenden Beschwerde beantragen die Firma Berger & Co., der Schweizerische Weinhändlerverband, die Fédération romande des vignerons und der Verband des schweizerischen Spirituosengewerbes, den Entscheid der Generaldirektion der PTT aufzuheben und die Verwendung der Postwerbeflagge "Mehr Verantwortung - kein Alkohol am Steuer" als widerrechtlich zu untersagen, eventuell die Postverwaltung anzuhalten, alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um die Abstempelung sämtlicher Postsendungen der Beschwerdeführer mit dieser Flagge zu verhindern.

4. Es ist klar, dass die Werbeflagge mit dem Text "Mehr Verantwortung - kein Alkohol am Steuer" dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Strassenverkehrs dient; denn es ist bekannt, dass unter Alkoholeinfluss stehende Fahrzeuglenker zu unvorsichtigem Fahren neigen und deshalb sehr häufig Unfälle verursachen. Die Beschwerdeführer wenden vergeblich ein, jener Text fordere mehr, als nach Gesetz zulässig sei, weil er, wie sich aus der kategorischen Wendung "kein Alkohol" ergebe, über den Inhalt des Art. 59. MFG (Verbot, in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug zu führen) und des Art. 57 MFV (Verbot des Alkoholgenusses für Führer von Motorwagen zum gewerbsmässigen Personentransport) hinausgehe. Die im Text verwendeten Worte "kein Alkohol am Steuer" können nur dann richtig verstanden werden, wenn ihr Zusammenhang mit der vorausgehenden Wendung "mehr Verantwortung" berücksichtigt wird, zumal das Wort "Verantwortung" besonders hervorgehoben ist, indem es mit grösseren Buchstaben als die übrigen Worte geschrieben ist. Danach bedeutet der Text nicht, dass man sich schlechterdings nicht ans Steuer setzen könne oder dürfe, wenn man Alkohol - und sei es auch noch so wenig -, getrunken hat, sondern nur, dass der Fahrzeuglenker den Sinn für seine Verantwortlichkeit besser bewahrt, wenn er völlig nüchtern ist. Die Formel bringt in gedrängter Fassung, aber doch deutlich eine allgemeine Vorsichtsregel zum Ausdruck, die sich nicht in der Befolgung jener gesetzlichen Verbote erschöpft. Sie hält sich gewiss im Rahmen dessen, was zur Erhöhung der Verkehrssicherheit empfohlen werden darf. Daher kann der Postverwaltung grundsätzlich nicht verwehrt werden, den Fahrzeuglenkern mittels der beanstandeten Werbeflagge Zurückhaltung im Alkoholgenuss nahezulegen; dies umso weniger, als die Verwaltung selber ein Interesse daran hat, dass der Ermahnung nachgelebt wird, da sie zahlreiche Motorfahrzeuge einsetzt und ausserdem Tausende von Zustellboten beschäftigt, die zu Fuss oder auf Fahrrädern die Strasse benützen.

Gleichwohl brauchen die Beschwerdeführer sich nicht gefallen zu lassen, dass auf ihren der Post übergebenen Sendungen der streitige Werbestempel angebracht wird. Man kann ihnen nicht wohl zumuten, bei einer Propagandaaktion mitzumachen, die nach ihrer Auffassung ihren Interessen abträglich ist. Ihre Einstellung ist verständlich. In der Tat werden ihre Postsendungen, wenn sie jenen Stempel tragen, beim Empfänger einige Verwunderung erregen oder gar lächerlich wirken, besonders dann, wenn die verwendeten Briefumschläge oder Postkarten mit Texten oder Bildern ausgestattet sind, die für den Absender werben sollen. Die Postverwaltung war verpflichtet, auf Begehren der Beschwerdeführer, deren Postsendungen von der Abstempelung mit der beanstandeten Werbeflagge auszunehmen…

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.- Auf das Hauptbegehren der Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.- Das Eventualbegehren der Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen.


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