FFF - Natürliche Wirtschaftsordnung

Das
Leuenbergspiel



FÜNF BILDER AUS DEM SCHWEIZER BAUERNKRIEG, DER REVOLTE GEGEN DIE DEFLATIONSWIRTSCHAFT DER JAHRE 1648 - 1653



Von Hans Bernoulli





Aufführungsrecht vorbehalten. Bedingungen durch den Verlag:
Pestalozzi-Fellenberg Haus, Bern

Erste Aufführung am Bundestag des Schweizer Freiwirtschaftsbundes am 12. Mai 1934
Personen:
Klaus Leuenberg* von Rüderswil
Johann Konrad Brönner, Schreiber und Notar
Christen Schybi von Escholzmatt
Emanuel Sägisser von Aarwangen
Bauern: Kunz, Benz, Jörg, Hans, Jakob, Ulrich, Ruedi
Lisbeth, eine Bauersfrau
Ein Mädchen
Ein Stadtsoldat
Eine Frauenstimme
Bewaffnete und unbewaffnete Bauern
*Niklaus Leuenberger

Sprech Chor.

Wir spielen Euch ein billig Spiel:
Die Waffen blinken bloss zum Schein,
Die blassen Wangen sind geschminkt,
Die Reden eitel Schall und Rauch,
Ein billig Spiel.

Wir spielen Euch ein billig Spiel,
Doch war's vor Zeiten bitter Ernst:
Die Häuser brannten lichterloh,
Die Schwerter troffen rot von Blut,
Vor langer Zeit.

Wir spielen Euch ein billig Spiel,
Die Zeiten wenden sich aufs Neu;
Ein Seufzen aus vergangner Zeit,
Ein längst verhallter Todesschrei,
Weck Euch zur Tat.

Erstes Bild.

Not im Land.

Bauernstube.

L i s b e t h : So iss doch, iss!
Der Weg ist weit und zum Einkehren reicht's nun einmal nicht: Iss doch, du kommst mir sonst ganz von Kräften.
Jörg (schiebt den Teller zurück) : Ich kann nicht.
L i s b e t h : Es ist ein Elend:
Du magst nichts essen,
Du kannst nicht schlafen,
Dabei arbeitest du wie toll -
Wo soll das hinaus?
J ö r g : Wir müssen den Zins zahlen.
L i s b e t h : Das war noch jedes Jahr so.
J ö r g (aufsehend) : Nein, das war nicht jedes Jahr so - so schlimm war's noch nie:
Aus Roggen, Dinkel und Kernen lösen wir heute für dasselbe Gewicht kaum noch die Hälfte.
Und die Zinsen sind gleich geblieben! Gleich geblieben!
Die Zinsherren müssten mit ihrer Forderung auf die Hälfte heruntergehen, von hundert Batzen auf fünfzig Batzen - dann wär's zu leisten. Dann wär's «wie jedes Jahr».
Von hundert auf fünfzig - tun sie nicht.
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Wie werden also doppelt so viel arbeiten müssen, doppelt so viel arbeiten müssen wie bisher - dann erst reicht's - für denselben Zins.
L i s b e t h : Doppelt so viel arbeiten? Das ist ja nicht möglich, Mein Gott das ist ja nicht möglich.
Du arbeitest dich zutode.
Und ich. Und die Kinder. Wir alle.
J ö r g (müde): So wollen wir Geltstag ansagen!
L i s b e t h : Ich weiss nicht.
J ö r g : Oder, sollen wir den Zins verweigern?
L i s b e t h : Ich weiß nicht.
J ö r g : So bleibt uns nur das Letzte. Unser Vieh verkaufen.
Wir haben's ja hundert und hundertmal beredet.
L i s b e t h : Du wirst nichts lösen.
Es sind keine Käufer da.
J ö r g : Weiß schon, es ist nichts zu lösen, heutzutage.
Vielleicht hab' ich Glück.
Und bring eine Geiss mit heim für die Kinder.
Dann können wir den Zins zahlen.
L i s b e t h : Dann könnten wir den Zins zahlen. Aber der nächste Zins?
Wenn wir unser Vieh verkauft haben, und nichts mehr zu Markt bringen können, keine Milch, keinen Käse, nichts?
Woher nehmen wir den nächsten Zins?
J ö r g : Der nächste Zins?!
L i s b e t h : Und wovon sollen wir leben, wenn das Vieh verkauft ist?
J ö r g : Wenn das Vieh verkauft ist -
L i s b e t h : Wovon sollen wir denn leben? Ich, du, die Kinder! Sollen wir betteln gehen?
J ö r g : Es geht den andern gleich wie uns.
L i s b e t h : Den andern -
Ist das ein Trost?
J ö r g : So steht's im ganzen Land -
So steht's im ganzen Land --
(Pause.)
K u n z (hereinschleichend) : Pssst! In vergangener Nacht
Ist ein Bote ins Dorf gekommen.
Einer von denen,
Die in Sumiswald mit dabei waren.
Er sagt, es sei wohl zu helfen.
Er hat aufgeboten
Zu einer Tagung nach Hutwyl,
Da soll besprochen werden,
Wie der Not zu steuern –
J ö r g : Der Not zu steuern?!
K u n z : Jawohl, der Not zu steuern!
Alles ist aufgeboten, im ganzen Land.
L i s b e t h : Im ganzen Land.
K u n z : Freilich, im ganzen Land.
Und angesehene Männer stehen an der Spitze und Führung: der Landespannerherr Johann Emmenegger selber, der Landeshauptmann und der Amtsfähndrich, Niklaus Glanzmann und Niklaus Portmann. Und alle vierzig Geschworenen des Landes Entlebuch insgemein.
L i s b e t h : Der Landespannerherr!
K u n z : Und ebenso die Geistlichkeit,
Die Geistlichkeit beider Konfessionen.
L i s b e t h (zu ihrem Mann): Hörst du? Auch die hohe Geistlichkeit!
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J ö r g : So wären wir noch nicht ganz verloren und verlassen?!
K u n z : Wofern ihr mitkommt nach Hutwyl.
(Pause. Es klopft. Lisbeth geht zur Tür, verschwindet.)
Wie wollt ihr sonst aus euren Nöten kommen? Es wird bei euch nicht anders stehen als bei uns allen: Wir schaffen und schaffen, aber seit die Preise auf die Hälfte gefallen und noch tiefer, ist ja kein Auskommen mehr. Die Schulden wachsen uns über den Kopf.
J ö r g : Wenn man sein Betreffnis in Frucht zahlen dürfte wie vor Zeiten
K u n z : Zum Zahlen braucht's Zwei - einen der gibt, der andre der nimmt - die nehmen's nicht an.
Wenn wir uns zusammenschließen Nur dann!
J ö r g (mühsam aufstehend): Wenn ihr einen Weg seht wenn es in Gutem zu schaffen ist, durch friedliches Verhandeln
K u n z (hält die Hand hin): und wenn sie uns die Zähne zeigen, so zeigen wir ihnen die Klauen: man kommt nach Hutwyl in Waffen.
J ö r g (zieht die Hand zurück): In Waffenl Dann bin ich nicht in dem Ding. Habt Dank.
K u n z : So? Seid ihr?
Meint ihr denn, man könne die Herren umblasen? Meint ihr, mit ein paar guten Worten sei alles getan?
Das ganze Land muss aufstehen!
Aber wenn's euch wöhler ist in eurem Dreck und Unglück, so bleibt in Gottes Namen drin stecken. (ab.)
J ö r g : Es muss Mittel und Wege geben.
*
Musikalisches Zwischenspiel: S o r g e n d e  S e e l e.
*
(Lisbeth tritt ein, verstört.)
J ö r g : Was hat's gegeben?
L i s b e t h : Es ist ein Unglück passiert.
Meine Schwester - ihr Mann - der Bub hat mich geholt.
Sie haben ihnen heute früh für fällige Zinsen das Vieh aus dem Stall getrieben
J ö r g : Das Vieh aus dem Stall getrieben?!
L i s b e t h : Er hat's nicht überstanden. Er hat sich das Leben genommen.
J ö r g : Was sagts du?
L i s b e t h : Er hat sich im Tenn erhenkt.
Die Schwester ist - sie weiss nicht - sie redet irr - wir, wir müssen helfen!
J ö r g (lacht irrsinnig): Wir?! Wir müssen h e l f e n ! (leise) Sie sagen, es gibt ein Mittel. Es gibt eine Hilfe.
(Geht ab, kehrt kurz darauf mit einer Waffe zurück.)
L i s b e t h (erschrocken): Was soll das!
Leg das weg! Um Gotteswillen, leg das weg!
Jörg (prüft die Schärfe der Schneide):
Hab' keine Angst. (Gürtet die Waffe um.) Ich gehe nicht zu Markt; das Vieh wird nicht verkauft. Ich geh nach Hutwyl.
Vorhang.

Not im Land.

Frauenchor.

Wir sorgen uns die ganze Nacht,
All unser Denken frisst die Not,
Und wenn der helle Tag erwacht,
So beten wir um unsren Tod.

Wir ängsten uns im eignen Haus,
Wenn irgend eine Türe geht,
Ob nicht des Bauern Schreck und Graus; Der Schuldenbote draussen steht.

Die Männer sprechen keinen Ton,
Die Kinder wagen nicht zu schrei'n,
Sie kennen nur noch Zins und Frohn,
Ach, Herr des Himmels, sieh darein!


Zweites Bild

Der Bundesschwur von Hutwyl.

14. Mai 1653.

Freies Feld vor Hutwyl.

(Benz und Kunz im Vordergrund; Brönner an einem mit Schriftstücken bedeckten Tisch im Hintergrund sitzend, daneben stehend Jörg und andere Bauern.)

K u n z : So?! Trifft man dich auch in Hutwyl?!
Du hast dich bisher zu den Linden gehalten.
B e n z (sich scheu umsehend): Hab' ich auch, hab' ich auch.
Und bin heute noch der Meinung, man komme mit linden Mitteln weiter als mit grobem Geschütz.
K u n z : So?! Womit zahlst du denn Zins?
Mit linden Mitteln oder mit harten Batzen?
B e n z : Man hat natürlich Mühe.
K u n z (Benz auf die Schultern schlagend): Wohl hat man Mühe: wenn sie einem das Geld unter den Händen verfälschen.
J ö r g (hinzutretend): Und die Bern-Batzen von einem Tag auf den andern nur noch die Hälfte gelten sollen.
K u n z : Der Verruf der Margretlerschillinge und die Herabsetzung der Batzen? Das ist offener Betrug! Da gibt's gar nichts drüber zu reden. Das ist eine Teufelei am hellichten Tag.
Aber  d i e  h e i m l i c h e  V e r f ä l s c h u n g  von Geld und Buchung:
Das ist unser Unglück.
B e n z : Was meint ihr nur?
K u n z (aufgeregt): Was meint ihr nur! Was meint ihr nur!
Dass sie das Geld verändert haben und verfälscht, das mein ich:
wenn gestern ein Mass Korn zwanzig galt und heute zehn,
wenn nicht nur alle Frucht, sondern auch alles Vieh und alle Arbeit im Preis gesunken, so liegt das nicht an Vieh und Frucht und Arbeit, sondern an Geld und Geldeswert.
Sie haben den Geldwert verändert.
Sie haben den Geldwert heraufgesetzt.
Und damit alle Schulden heraufgesetzt.
Ihr müsst doch heute mehr leisten für denselben Betrag:
Mehr Kernen, mehr Obst, mehr Ferkel, mehr Kühe, mehr Schafe, mehr Rinder.
Schafe und Rinder und Aepfel und Kernen sind dieselben geblieben:  s i e  h a b e n  d a s G e l d  v e r ä n d e r t.
B e n z (zweifelnd): Und darum ist es so schwer geworden, den Zins zu leisten?!
K u n z : Selbstverständlich, darum. Warum denn sonst? Haben wir etwa weniger gearbeitet?
Ist ein Viertel Kernen kleiner,
Ist ein Pfund Fleisch leichter geworden?
B e n z : Dass das Geld anders geworden, wie ihr sagt, dass es nun mehr gilt und mehr kauft, das
wird wohl stimmen, wenn man sich's recht überlegt.
Wir müssen das unsrer Obrigkeit und unsern Schuldenherren vortragen: sie werden ein Einsehen haben.
K u n z (lacht): Ein Einsehen haben? Einen Vorteil haben sie davon, einen Vorteil!
Und wer einen Vorteil hat, der lässt so leicht nicht locker.
(Rückwärts, zu Brönner): Hab ich nicht recht, Brönner?
B r ö n n e r : Freilich habt ihr recht: Sie sollen euch nur plagen mit ihren Gislern und Schuldenboten, so werdet ihr endlich andern Sinnes. Ihr seid zu lang lind gewesen.
Jetzt müsst ihr hart werden.
B e n z : Das Aufbegehren trägt nichts ab.
Der Zins muss doch bezahlt werden!
B r ö n n e r : Der Zins muss nicht bezahlt werden! Sag ich euch.
K u n z : Der Einzelne darf sich nicht unterstehen, den Zins zu verweigern.
B e n z : Wenn wir den Zins verweigern, so legen sie uns in den Stock.
B r ö n n e r : Wozu hat man euch denn nach Hutwyl aufgeboten?
Was sucht ihr hier?
Hilfe sucht ihr hier! Hilfe gegen die Herzenshärte eurer Obrigkeit.
Hilfe gegen Uebervorteilung und Gewalt. Das sucht ihr.
Ein Einzelner darf sich nicht unterstehen, wohl. Aber wenn Hunderte und Tausende zusammenhalten, dann kann dem Einzelnen nichts geschehen,
J ö r g : Ihr meint, wenn ganze Talschaften samthaft den Zins verweigern, dass das eine Waffe sein werde, um Recht zu schaffen?!
B r ö n n e r : Das ist's: eine Möglichkeit, uns Gehör zu erzwingen,
ein Druck, uns der Not zu erwehren,
eine Waffe, um uns Recht zu schaffen.
B e n z : Die Weigerung muss in allen Dörfern z u g l e i c h erfolgen.
Der Einzelne ist verloren.
B r ö n n e r : Ich sag's euch ja: deshalb seid ihr hierher geboten.
Insonderheit ihr alle aus der Herrschaft Luzern, aus der Herrschaft Bern, aus der Herrschaft Solothurn, aus der Herrschaft Basel und aus den freien Aemtern. In Wollhusen haben sich schon 2000 verschworen und danach 3000 in Sumiswald und 5000 vor zwei Wochen hier zu Hutwyl. Ein Drittel der Grundschuld muss gestrichen werden!
K u n z : Ein Drittel der Grundschuld!
J ö r g : Ist auch die Zinsweigerung beschworen worden?
B r ö n n e r : Freilich ist die Zinsweigerung beschworen worden.
Und ihr werdet auch dazu stehen, wie es heisst in dem Brief, der zu Sumiswald ist aufgerichtet und
beschworen worden:
(liest) «..... dass die Obrigkeit ihnen viele neue Aufsätze, grosse Strafen und Beschwerden aufgezwungen hat wider ihre Brief und Siegel. Darum sie gesandte Männer an ihre Obrigkeit geschickt, welche freundlich, untertänig, und mit großer Bitt angehalten, solcher Beschwerden sie zu entlassen und abzutun; aber nicht allein nichts erlangen mögen, sondern man hat sie noch ausgebalget. Deswegen die Bauern erzörnt worden und haben zusammen geschworen, Leib und Leben daran zu setzen, ihnen keinen Zins oder Geldschulden mehr zukommen zu lassen, bis ihre gnädige Obrigkeit ihnen ihre alten Brief und Rechtungen, die sie ihnen genommen, wieder zuhanden stelle.»
Ihr habt gehört: «Keinen Zins oder Geldschulden mehr»!
J ö r g, K u n z, B e n z : Daraufhin lässt sich's wagen.
Nun ist wieder eine Hoffnung vorhanden.
(Leuenberg und Sägisser treten auf.)
Der Leuenberg!
(Die Bauern treten zurück. Leuenberg u. Sägisser vorn allein.)
S ä g i s s e r : Ihr habt in Sumiswald Vorstand und Leitung der Tagung übernommen und vor zwei Wochen hier in Hutwyl.
Ihr müsst es auch heute tun.
Ihr seid der Obmann des Bundes.
Euerm Wort folgen alle.
Ihr könnt sagen, was ihr wollt,
Wenn Ihr nicht dabei wäret, wir vermöchten die Verzweifelten nicht zu halten.
L e u e n b e r g : Wo denkt Ihr hin:
Ich bin zu unerfahren und zu jung.
Ihr braucht einen Mann, der die Welt gesehen, der es versteht, mit Herren und Fürsten umzugehen.
Ich bin kaum aus meinem Hof und Dorf gekommen, nie aus meinem Tal.
Auch ist das Schreiben nicht meine Sach.
B r ö n n e r : Das mit dem Schreiben lasst euch keine Sorge sein, Leuenberg, das besorge ich selbst, an mir soll's nicht fehlen.
L e u e n b e r g : Weiß wohl, Brönner, dass Ihr euch des Schreibwesens annehmt. Wir haben euch alle zu danken,
Es ist nicht das allein: wir wollen treue und redliche Untertanen sein und bleiben, und wir sehen nur Untreue und Unredlichkeit bei unsrer Obrigkeit.
Wir wollen ehrlich und voll zahlen, was rechtens ist, und sie verfälschen das Geld.
Wir wollen, schiedlich und friedlich mit unseren von Gott eingesetzten Oberen verhandeln und sie drohen mit Gewalt
S ä g i s s e r : Darum brauchen wir euch, Leuenberg. Einen Mann ohne Falsch und Fehl.
L e u e n b e r g : Ich sag's euch: ihr wäret mit mir schlecht versehen. Wie komme ich dazu, als Obmann und Führer diesen schweren Handel durchzufechten. Ihr habt Bessere als mich und Tüchtigere.

*
Musikalisches Zwischenspiel: D a s  r o t e  K l e i d.
*

(Eine Deputation von Luzerner Bauern tritt auf, in ihrer Mitte ein Mädchen mit dem roten Ueberkleid, der Gasage.)

M ä d c h e n : (zu Leuenberg, die rote Gasage hochhaltend):

 Die Bauern aus der Herrschaft Luzern
 Verehren Dir die Gasage fein
 Und bitten Dich, Du wollest gern
 Ihr Obmann und ihr Führer sein.

 Wo wir das rote Kleid erseh'n,
 Da wollen wir zusammenstehn.

 Wo wir ersehn das rote Kleid,
 Da ist vergessen Not und Leid.

 Wo wir ersehn das Kleid so rot,
 Gehn wir mit Dir bis in den Tod.

L e u e n b e r g (sich umsehend): Ist das euer Ernst? Soll ich das rote Kleid tragen als Führer in dem grossen Wesen, das nun anhebt?
S ä g i s s e r : Es ist keiner würdiger als Ihr. (Kleidet ihn in die Gasage.)
A l l e : Unser Obmann! Unser Obmann!
S c h y b i (rasch auftretend, bewaffnet): Dass ich Euch endlich finde, Leuenberg,
Das Volk ist beisammen, an die fünftausend.
Die Tagung muss beginnen. (Erblickt das rote Kleid.)
Schön haben sie Dich ausstaffiert, als einen rechten Obmann des Bundes!
L e u e n b e r g : Das rote Kleid und Obmannschaft sollte von rechtswegen Euch gehören, Schybi.
S c h y b i (ärgerlich lachend): Lasst nur! Lasst! Haltet nur Eure schönen Reden, Leuenberg, Ihr werdet mich schon noch brauchen können.
(Alles strömt herein, Bewaffnete und Unbewaffnete. Zwei Bewaffnete schaffen Ordnung. Währenddessen Trommelwirbel. Es bildet sich ein Halbkreis, vor der Mitte Brönner, Leuenberg, Schybi. Signal, Stille.)
B r ö n n e r (zu Leuenberg) : Ihr fangt an, Obmann.
L e u e n b e r g : Liebe und getreue Landsleute,
Wir sind zusammengetreten, getreu den alten Bünden uns gegenseitig zu helfen und beizuspringen.
Die Not ist gross.
(Sachlich): Was wir schaffen an täglicher Arbeit ist im Preis gefallen auf die Hälfte und noch tiefer. Und was wir leisten sollen an Zins und Zahlung ist unverrückt gleichgeblieben. Wir vermögen es nicht mehr zu leisten.
Es haben bei den Obrigkeiten in Luzern und in Bern, in Basel und Solothurn und anderwärts Ausgeschossene ihrer Talschaften um Stundung und Nachlass der Zinsen gebeten. Fussfällig gebeten; es möchte ihnen erlaubt sein, die Zinsen in Frucht zu leisten, wie es vordem üblich gewesen.
Beides ist ihnen abgeschlagen worden.
So sind wir denn durch das Verhalten unserer von Gott gesetzten Obrigkeit gezwungen worden, selber zum Rechten zu sehen. So sind wir gezwungen worden, da uns die Obrigkeit selbst ihren Schutz versagt, ja unsere Not gar mitverschuldet oder verschärft hat durch ihr hartherziges Vorgehen, gezwungen zusammenzutreten zu einem neuen Bund.

*
Musikalisches Zwischenspiel: E m p ö r u n g.
*

B r ö n n e r (liest) : Im Namen der hochheiligen Dreifaltigkeit (alle entblössen ihr Haupt), Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.
Wir schwören
den ersten eidgenössischen Bund zu halten und erhalten.
Der Ungerechtigkeit zu wehren, aber die Gerechtigkeit zu äufnen.
Alles was den hohen Obrigkeiten gehört, soll ihnen bleiben und gegeben werden.
Und was den Bauern und Untertanen gehört, soll ihnen auch bleiben und ihnen gegeben werden.
Wir schwören:
einander zu helfen, alle unguten Neuerungen abzuschaffen. Es soll aber jedes Orts Untertanen ihre Gerechtigkeiten von ihrer Obrigkeit selbst fordern.
Wir schwören:
Wenn die Obrigkeiten wollten fremde oder einheimische Völker uns Untertanen auf den Hals legen, so wollen wir dieselbigen gar nicht dulden, sondern, wo es vonnöten, wollen wir einander helfen, sie zurück zu weisen und einander tröstlich und mannlich beispringen.
Wir schwören:
wenn auch die eine oder andere Person in Städten oder Landen, durch dieses aufgelaufenen Handels willen von einer Herrschaft oder andern Leuten eingezogen, oder an Leib und Leben und Gut geschädigt würde, so sollen alle Bundesgenossen denselben helfen mit Leib, Hab, Gut und Blut erledigen, als wenn es einen jeden antreffen täte.
L e u e n b e r g : Ist einer hier, der diesen Bund nicht beschwören will, so soll er aus dem Ring der Landsgemeinde sich entfernen und austreten.
(Benz und einige andere entfernen sich.)
Nun, liebe und getreue Leute! Loset auf euren Eid und sprechet mir nach alle diese Worte:
(Alle Anwesenden bis auf Leuenberg, Brönner und Schybi werfen sich auf die Knie, heben die Schwörfinger empor und sprechen das Vorgesagte nach, Satz um Satz.)
[:Wie die Schrift ausweist:]
[:Dem will ich nachgeben:]
[:Und es vollbringen in gutem Treuen :]
[:Wenn ich das halte:]
[: Dass mir Gott wolle gnädig sein :]
[: An meinem letzten Ende:] [ : Wenn ich es aber nicht halte :]
[: Dass er mir nicht wolle gnädig sein :]
[: An meinem letzten Ende :]
[: So wahr mir Gott helfe :]

Vorhang.

Das Hutwyler Lied.

Männerchor.

Es hat die Not den Bund geschlossen,
Nicht Uebermut, noch Lust am Streit,
Wie jener alten Eidgenossen
Verschwörung in bedrückter Zeit.

Vermag sich einer nicht zu wehren,
In Einsamkeit und Armutei,
So rauscht ein Wald von tausend Speeren:
Dem Einen stehen alle bei.

Wir wollen heut und allertwegen
Zusammenstehn für unser Recht,
Und unser Schwert nicht niederlegen,
Bis Recht geschehn am letzten Knecht.


Drittes Bild

Zu den Waffen!

Ende Mai 1653. Nachts. Langenthal. Im Wirtshaus zum weißen Kreuz.

B r ö n n e r (schreibend): Gute Nachrichten, he?
B o t e : Briefe an den Obmann des Bundes von Waldenburg, von Holderbank und Oberbuchsiten.
B r ö n n e r : Gebt nur her. Der Leuenberg wird gleich hier sein, Ihr reitet morgen früh?
B o t e : Sobald ich Eure Antwort in Händen habe. Heute Nacht noch, wenn's sein muss.
B r ö n n e r : Könnte euch passieren. (Schreibt; ohne aufzusehen.)
Ihr kommt jetzt viel im Land herum; wie denkt man von Leuenberg?
B o t e : Es meinen alle, unsere Sach sei gut aufgehoben bei ihm.
B r ö n n e r (wie vor) : Gut aufgehoben, hm. Und dass er einen Fussfall getan vor dem Rat in Bern, nimmt man ihm das nicht übel?
B o t e (lacht): Er hat doch den Vertrag von Murifeld zurückgebracht aus Bern. Dafür wird man den gnädigen Herren wohl ein Dankeschön sagen müssen.
B r ö n n e r : Ja, den Vertrag von Murifeld. (Sieht den Boten an) Meint ihr, dass die Herren diesen Vertrag halten? Meint ihr, dass sie sich daran kehren? Gerade solang es ihnen passt. Gerade solang, sag' ich euch, nicht länger.
(Schreibt wie vor) Die Verträge müssen mit  r o t e r Tinte geschrieben sein, sonst halten sie nicht. Versteht ihr, mit roter Tinte?! Das könnt ihr sagen, wo ihr hinkommt.
(Aufsehend) Glaubt ihr denn, die Herren geben nach, wenn wir sie nicht zwingen zum Nachgeben? (Scharf) Haltet euch bereit auf nach Mitternacht. (Bote ab.)
Diese ewige Leisetreterei.
Die Leute haben einen Respekt vor ihrer Obrigkeit - zum Lachen.
Wenn sie aufgehängt werden, so bedauern sie nur, dass sie sich nicht mehr dafür bedanken können,
(Nach einem Brief greifend, liest) Von Adam Zeltner. Auch so ein Duckmäuser, der die gemeine Sach hinzögert mit Ausflüchten, Querulieren und Redereien. (Hält den Brief gegen das Licht.)
L e u e n b e r g (tritt auf).
B r ö n n e r (rasch): Hier ein Brief von Adam Zeltner. Ist eben angekommen. Der Bote wartet, wenn ihr ihm Bescheid mitgeben wollt.
L e u e n b e r g : Gebt her. (Oeffnet und liest,)
B r ö n n e r : Es sind noch Briefe da aus dem Baselbiet und von Aarwangen und einer aus den treuen Gemeinden in den freien Aemtern.
L e u e n b e r g : Die Verhandlungen stehen gut. Der Rat von Solothurn lässt mit sich reden. Der Bürgermeister selbst führt den städtischen Ausschuss, Johann Rudolf Sury.
B r ö n n e r : Seid ihr sicher, dass der euch nicht hinters Licht führt?
L e u e n b e r g : Für den Sury leg ich die Hand ins Feuer.
B r ö n n e r : Dass sie euch nur nicht verbrennt, Obmann.
(Losbrechend) Sie betrügen euch alle, Leuenberg. Ihre Schwüre und Verträge sind keinen roten Kreuzer wert, Sie betrügen Euch, glaubt mir's. So wahr ich hier stehe.
L e u e n b e r g (lacht): Ihr seht zu schwarz, Brönner. Wer nicht selbst vertraut, gewinnt auch kein Vertrauen. Wir sind weit gekommen, ohne einen Tropfen Blut zu vergiessen, ohne einen Tropfen Blut!
Der Murifeld Vertrag sichert uns unsre alten Freiheiten. Dazu die Ersetzung der aufgelaufenen Kosten von 50,000 Gulden.
B r ö n n e r : Dass die 50,000 Gulden gezahlt werden, glaube ich nicht eher, als bis ich sie hier auf dem Tisch liegen sehe,
L e u e n b e r g (kurz): Zeigt die Briefe her.
(Stille. Schybi und Sägisser treten auf.)
S c h y b i : Papier, Papier! Ich sehe nichts als Papier! Sollen die gnädigen Herren vor unsern Briefen und Beschwerden davonlaufen?
L e u e n b e r g : Zeltner und seine Leute stehen mit den Ausgeschossenen des Rats von Solothurn in Verhandlung.
S c h y b i : Zum Teufel mit all euren Verhandlungen! Das eidgenössische Aufgebot ist im Anzug und wir verhandeln! Sie schicken ins Welschland um Hilfe, nach Breisach, in die alten Orte und wir verhandeln!
(Polternd) Wir dürfen nicht mehr verhandeln, versteht ihr, Leuenberg, wir dürfen nicht mehr.
(Leiser) Und wir können auch gar nicht mehr: wir sind schon zu weit gegangen.
L e u e n b e r g : Das bestreite ich, Schybi.
Wir sind unsrer Obrigkeit stets mit allem Respekt begegnet, und haben ihre Sprecher angehört. Sie haben unsre Vorschläge und Bedingungen entgegengenommen
S c h y b i : Meint ihr, dass eine von Gott eingesetzte Obrigkeit von ihren Untertanen Bedingungen entgegennehmen kann?
Sie kann es nicht, Sie würde sich selbst aufgeben,
Wir haben sie zu Verhandlungen gezwungen das kann sie uns nie. verzeihen, niemals.
Wir müssen marschieren.
L e u e n b e r g : Das ist das Letzte. Das will überlegt sein. Da gibt es kein Zurück mehr - Ich kann's nicht verantworten, noch nicht.
S c h y b i : Noch nicht, noch nicht!
Wollt ihr denn warten, bis sie uns das Haus überm.. Kopf anzünden?
(In höchster Erregung) Sollen sie über uns kommen und uns totschlagen wie junge Hunde?

*
Musikalisches Zwischenspiel:  Z o r n  u n d  E i s e n.
*

S ä g i s s e r : Wir sind nicht auf gutem Weg:
Ihr nicht, Leuenberg, mit euern Verhandlungen, und ihr nicht Schybi, mit euern langen Spiessen und Musketen.
Der Untertan kann mit der Obrigkeit nicht verhandeln und bäurisch Fussvolk vermag nichts gegen wohl ausgerüstete Mannschaft mit Kanonen.
S c h y b i: Dass wir nichts vermöchten!?
Ihr seid noch nie im Pulverdampf gestanden, Sägisser! Ihr wisst nicht, was die Furia vermag:
Ein ganzes Volk in Trotz und Zorn ist unbesiegbar.
L e u e n b e r g : Wenn Recht nichts ausrichtet, wie ihr sagt, und Gewalt auch nicht was soll dann fruchten?
S ä g i s s e r (langsam überlegend): Wer in den Kampf zieht, muss den Gegner kennen. Unsre Gegner sind nicht die gnädigen Herren in Bern oder Basel oder Luzern oder Solothurn, auch nicht ihre Feldhauptleute und Soldaten - wegen der Plackereien der Landvögte ziehen wir nicht zu Feld; und wenn auch Trattengeld und Pulver und Salzregal uns drücken - um Pulver, Salz und Trattengeld wagen wir nicht das Leben  e i n e s  Mannes. Wir ziehen zu Feld gegen den grossen Preisfall.
Nehmt's nicht übel: da nützen keine Verhandlungen und keine Kanonen. Das ist ein Feind, (leise) der hat nicht Fleisch und Bein.
B r ö n n e r : Was wollt ihr damit sagen?
Sollen wir heimgehen und flennen wie alte Weiber?
L e u e n b e r g : Hinter dem grossen Preisfall stehen Menschen wie ihr und wir, Sägisser.
S ä g i s s e r (Leuenberg gross ansehend) : Seid ihr des so gewiss?
Machen die gnädigen Herrn in Bern und Basel die Preise?
Sind es nicht die Händler und Fürkäufer auf den Märkten, die Metzger, ja schließlich gar wir selber? Wohl, man bietet uns schlechte Preise aber wir selbst, wenn wir kaufen zahlen wir mehr?
Der grosse Preisfall ist das Unglück.
B r ö n n e r (bissig): Wissen wir auch.
S ä g i s s e r : Der grosse Preisfall für alle Waren, die wir verkaufen müssen.
Und das eherne Gutbleiben und Verharren der Schuldzinsen, die wir zahlen müssen,
Der grosse Preisfall ist etwas Anderes als das Billigwerden der Frucht bei guter Ernte, das Billigwerden der Milch, wenn viel Vieh gehalten wird. Es ist etwas Anderes.
Es ist mehr.
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Es ist wie in einem grossen Haus, in dem viel tausend Menschen sitzen im Dunkel. Und vorn auf, der Bühne, im Hellen, da ist das grosse Spiel ein Kommen und Gehen, ein Kommen und Gehen.
Und über einmal senkt sich der ganze Boden mit allem was da spricht und spielt in bunten Kleidern. Er senkt sich und senkt sich und verschwindet. Und nur noch das leere Gebälk steht da und die schwarzen Wände. -
Der grosse Preisfall. Der Untergang des ganzen wirtschaftlichen Wesens.
Ob sich die Herren dessen vermögen?
(Ein Bote kommt, überreicht Schybi einen Zettel.)
L e u e n b e r g : Welchen Weg wollt ihr uns weisen?
S ä g i s s e r : Welchen Weg?
Da ist kein Weg.
S c h y b i : Da habt ihr's - derweil wir schwätzen, kommen sie uns über den Hals: Werdmüller steht vor Mellingen.
L e u e n b e r g : Habt ihr zuverlässigen Bericht?
S c h y b i : Werdmüller steht vor Mellingen. Wir können ihn nicht mit Verträgen vertreiben, Leuenberg.
Ich brauche Leute. Ruft den Landsturm auf.
L e u e n b e r g : Blut?
S c h y b i : Jawohl; Blut und Eisen!
Schickt eure guten Räte nach Hause, wir haben genug gezaudert und traktiert. Wir haben das Geschick des Landes zu verantworten.
S ä g i s s e r : Ich lass mich nicht heimschicken.
Ich zieh mit.
Der Weg ist nicht gut.
Er führt uns alle ins Verderben,
Aber wir haben keine andre Wahl.
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Es ist noch nicht an der Zeit.
(Trommeln.)

Vorhang.

Das Kampflied.

Männerchor.


Wir machen mit dem Reden Schluss.
Die Antwort auf den schweren Tort
Ist Hieb und Stich und Stoss und Schuss.
Nun hat das Schwert das Wort.

Nun geht's mit frischem Mut voran,
Nicht einer wendet sich zurück,
Und Knab für Knab und Mann für Mann
Stürzt sich ins Schlachtenglück

Wir suchen mit den Herren Kampf
Und wer vor ihren Reihen fällt
In Staub und Qualm und Russ und Dampf,
Fällt für die bess're Welt.


Viertes Bild

Schwankendes Glück.

Abend des 3. Juni 1653.

Gehölz ob Wohlenschwil.
Feldwache. Im Hintergrund patroullierender Posten.
Hans und Jakob würfeln. Ulrich sieht zu. Während des Folgenden unregelmässige Schüsse.

H a n s (wirft die Würfel hin): Ich geb's auf! -
Sie haben unsre dreihundert Mann hieroben vergessen.
Unten schlagen sie den gnädigen Herren und ihren gehorsamen Untertanen den Schädel ein.
Und lassen uns nichts mehr übrig.
J a k ob : Wir werden schon noch in die Suppe eingerührt. Das ist das Wenigste.
H a n s : Schon zwei Tage liegen wir hier oben. (Unruhig.) Und immer wieder das Parlamentieren.
Ein grosser Angriff in hellen Haufen und wir würfen sie alle in die Reuss.
U 1 r i c h : Das Parlamentieren hat einen längern Stiel als unsre beschlagenen Knittel.
Ist ganz gut so:
Man schlägt zu, dann frägt man, habt ihr genug?
Haben sie noch nicht genug; auch gut, so schlägt man von Neuem.
H a n s : Kriegführen ist nicht wie Kinderspiel.
U 1 r i c h : Wir führen nicht Krieg.
Wir verlangen von der Obrigkeit unser Recht.
H a n s : Mit dem Gewehr in der Hand?
U 1 r i c h : Jawohl, mit der Hand an ihrer Gurgel.
Sie verstehen's sonst nicht.
Sie glauben's sonst nicht, die gnädigen Herren, dass sie uns peinigen bis aufs Blut und dass wir uns das nicht gefallen lassen wollen.
J a k o b : Hört sich just nicht an wie parlamentieren. Wir haben zu den Waffen gegriffen, Jetzt müssen die Waffen entscheiden.
U l r i c h : Gegen ihre Kanonen werden wir nicht ankommen.
H a n s : Wenn wir ihr Geschütz unterlaufen, und sie mit kurzen Messern bedienen, so kann uns auch die schönste Artillerie nichts anhaben.
Wie lange das dauert!
J a k o b : Schybi wird's hinziehen wollen, bis es einnachtet.
H a n s : Meint ihr? (Das Schiessen hört auf.)
U l r i c h : Sie haben das Schiessen eingestellt. Sie parlamentieren.
H a n s : Verdammt! Das hat gerade noch gefehlt!
Wenn der Leuenberg mit dem Werdmüller zusammensitzt, so schicken sie uns wieder heim. Wie vor Bern.
Wir dürfen uns nicht heimschicken lassen!
J a k o b : Dass Werdmüller sich zum Parlamentieren herbei lässt, ist ein gutes Zeichen: sie wollen ihre Leute schonen.
H a n s : Ihre Leute schonen! Er will uns billig kaufen das ist's.
Wir sollten uns nie aufs Reden einlassen mit diesen glatten Herrenmenschen. Nie! Nie!
J a k o b : Der Leuenberg wird wissen, wie er am raschesten zum Ziel kommt.
H a n s : Zum Ziel kommt!
Wir haben ja kaum   a n g e f a n g e n! Da redet ihr vom Ziel - (Ruedi und andere Leichtverwundete treten auf) Hallo, Leute! Wie steht's?
R u e d i : Es war höchste Zeit, dass das Schiessen eingestellt worden. Wir hätten keine halbe Stunde mehr gehalten.
U l r c h : Haben wir Verluste?
R u e d i : Am Waldrand liegen ganze Haufen der Unseren. Ganze Haufen.
Habt ihr zu trinken?
U l r i c h : Ruht euch hier aus. Werdet's nötig haben.
H a n s : Wir halten unsern Posten.
(Zu Ulrich) Lasst die Wachen verdoppeln - bei uns soll keiner lebend durchkommen. (Ulrich ab.) (Zu Jakob) Das Ding will mir nicht gefallen.
Wenn schon einmal parlamentiert werden muss, so sollten sie zu uns herüber kommen, nicht wir zu ihnen.
Das Ding gefällt mir nicht.
(Leuenberg und Sägisser treten auf.)
H a n s (meldet): Leuenberg, hier stehen dreihundert Mann, sind noch nicht ins Treffen gekommen.
L e u e n b e r g : Ihr formiert jetzt die vorderste Linie. Rechts und links sind die Unsern zurückgenommen. Ihr bleibt auf euerm Posten.
Die Toten vor euerm Abschnitt holt ihr hieher.
Sie müssen morgen in aller Frühe begraben werden. Die Verwundeten, die noch vorn liegen, bringt ihr nach rückwärts, in den Hof unten im Talgrund, zum Feldscher.
S ä g i s s e r : Was haben die Parlamentäre für Instruktionen?
L e u e n b e r g : Wir wollen Bestätigung und Anerkennung des Vertrags vom Murifeld. Nicht mehr aber auch nicht weniger.
Und Anerkennung unseres zu Hutwyl beschworenen Bundes.
S ä g i s s e r : Heute früh wär's zu wenig gewesen. Heut Abend ist's zu viel.
L e u e n b e r g : Behaltet das für euch, Sägisser.
Kein Mensch im Zürcher Lager weiss, wie's bei uns aussieht. Ihre Gefangenen sagen alle, sie hätten so scharfen Widerstand nicht vermutet.
(Doppelposten ist aufgezogen, Ulrich zurück.)
S ä g i s s e r : Wir müssen aufs Schlimmste gefasst sein,
L e u e n b e r g : Nehmen sie unsre Bedingungen nicht an, so schlagen wir wieder los. Schon morgen früh.
H a n s (näher herantretend): Ihr lasst uns nicht im Stich, Leuenberg.
H a n s : Ihr lasst uns nicht im Stich, Leuenberg.
L e u e n b e r g (lacht): Wo denkt ihr hin!
Jetzt heisst's zusammenhalten, auf die Zähne beissen und die gute Sache durchfechten.
H a n s : Kommen wir morgen dran?
L e u e n b e r g : Darüber bestimmt der Schybi wohl möglich: Sind eure Leute guten Mut's?
H a n s : Sie brennen darauf, die Würger abzuwürgen.
L e u e n b e r g : So haltet eure Leute bereit. (Hans will ab.)
S ä g i s s e r : Und wenn sie unsre Bedingungen annehmen und uns dann die Waffen abfordern?
L e u e n b e r g (unruhig): Warum sollten sie uns die Waffen abfordern?
H a n s : Die Waffen müssen wir behalten, Leuenberg. Macht uns nicht wehrlos.
Schickt uns nicht heim wie abgelohnte Heuer.
Dann wäre alles aus.
Dann ist alles verloren.
L e u e n b e r g : Davon ist keine Rede,
R u e d i (herantretend): Was gibt's?
U l r i c h : Sie wollen uns die Waffen abnehmen.
R u e d i : Leuenberg, das dürft ihr nicht zulassen!
Wir haben zusammen geschworen!
L e u e n b e r g : Wenn morgen früh um zehn Uhr von unsrer Seite fünf Schüsse gelöst werden, so beginnt das Gefecht von neuem.
Haltet gut Wache. Ihr steht in der vordersten Linie.
R u e d i : So behalten wir die Waffen und die Fahnen?
L e u e n b e r g : Wir schicken euch nicht mit blossen Händen in den Kampf. Verlasst euch drauf,
(Alle gestikulierend und durcheinanderredend ab, bis auf Leuenberg und Sägisser.)

*
Musikalisches Zwischenspiel:  V  e  r  w  i  r  r  t  e    G  e  i  s  t  e  r.
*

L e u e n b e r g : Unsere Leute verstehen nicht, dass wir die Hand bieten müssen und immer wieder die Hand bieten.
S ag i s s e r : Ich auch nicht.
Man kann nicht aufeinander schiessen stundenlang und sich dann wieder zusammen an den Verhandlungstisch setzen.
L e u e n b e r g : Aber man kann eine Verhandlung führen mit gespanntem Hahn, das kann man.
Und das tun wir.
S ä g i s s e r : Ein gefährliches Spiel!
L e u e n b e r g : Es geht um Kopf und Kragen. Jeder weiss das.
Aber es geht auch um Haus und Hof.
Und um Recht und Lebensmöglichkeit.
(Sägisser geht kopfschüttelnd ab, Leuenberg eine Weile allein. Nur Doppelposten im Hintergrund, Dann Schybi.)
S c h y b i : Ah, Leuenberg!
Gut, dass du sie uns für den Augenblick vom Hals geschafft hast, mit dem schönen weißen Fahnen und der Parlamentärtrommel.
Wie lange soll die Waffenruhe gelten?
L e u e n b e r g : Bis morgen früh um zehn Uhr.
S c h y b i (nimmt Leuenberg, zur Seite): Bis morgen früh um zehn das genügt.
Wir haben noch ein gutes Drittel der Mannschaft gespart. Die können in zwei Stunden bereit sein.
L e u e n b e r g : Was habt ihr vor? Was plant ihr?
S c h y b i : Wir sammeln unsre Leute in aller Stille. Um Mitternacht überrennen wir ihre Wachen und überfallen sie im Schlaf. In ihrem eigenen Lager. Von all dem Marschieren und Alarmieren müssen sie totmüde sein - es kann nicht fehlen.
L e u e n b e r g : Aber wir haben doch Waffenruhe zugesagt, und kein Vorrücken über die erreichten Linien!
S c h y b i : Eben deswegen! Um so sicherer haben wir sie in der Hand!
Wenn wir erst in ihrem Lager stehen, entgeht uns keiner. Meine Entlebucher machen alles kalt.
L e u e n b e r g : Wir haben ihnen unser Wort gegeben.
S c h y b i : Larifari: Wenn's uns passt?!
Sagt zu, und wir machen Schluss mit e i n e m Schlag. Mit den beiden Werdmüller als Geiseln erreichen wir alles.
L e u e n b e r g : Ein Wortbruch.
S c h y b i : Die gnädigen Herren haben uns so und so oft das Wort gebrochen - -
L e u e n b e r g : Aber nicht wir!
S c h y b i : Im Krieg gelten alle Mittel.
L e u e n b e r g : Ich mach nicht mit.
Und setze mein ganzes Ansehen dran und mein Leben dazu, dass das nicht geschieht.
Wir suchen unser Recht - durch einen Treubruch haben wir es verwirkt.
S c h y b i : Ihr seid ein Narr.
(Leise) In offener Feldschlacht schaffen wir's nicht. Unsre Leute halten das Geschützfeuer nicht aus. Was uns an Macht fehlt, müssen wir durch List ersetzen.
Der Tag war gefehlt. Die Nacht kann alles wenden.
L e u e n b e r g : Ihr wisst, dass ich's nicht tue.
S c h y b i (heiser) : Ihr schlagt, mir die Waffen aus der Hand. Mit eurer Rechtlichkeit verratet ihr das arme Volk.
(Schybi ab. Es wird dunkel. In der Dunkelheit werden die Leichen der Erschlagenen gebracht und aufgereiht. Einige Fackeln.)
H a n s (meldet): Wir bringen, was wir im Kornfeld gefunden haben.
L e u e n b e r g : Eine reiche Ernte.
Saatgut für bessere Tage. (Alle entblößen das Haupt.)
Vor diesen Toten geloben wir von neuem Treue und Zusammenhalten, unverbrüchlichen Gehorsam und gegenseitigen Beistand.
H a n s : Treue? Mehr als Treue.
Wenn alles zusammenbricht und alles sich auflöst, wenn es dazu kommt, dass alle die Waffen niederlegen - wir Entlebucher geben nicht nach.
Wir bleiben im Feld.
Sie haben uns zu Schanden geritten, sie haben Hof um Hof unter den Hammer gebracht.
Wir haben nichts mehr zu verlieren.
Wir geben die Waffen nicht aus der Hand.
Wir wollen keine Gnade mehr und kein Recht.
Wir setzen uns durch.
Wir setzen uns durch oder wir fallen wie diese hier gefallen sind. Ihre Not ist vorbei.
L e u e n b e r g : Der großen Not zu wehren, stehen wir unter den Waffen. Wir alle. Ihr habt mir eine große Last aufs Herz geladen. Auf den morgigen Tag!

Vorhang.

Belogen und betrogen.

Frauenchor.

Belogen und betrogen
In dieser argen Zeit
Sind sie zu Feld gezogen
Gegen die eigene Obrigkeit –
   O weh.

In Reihen dicht geschlossen,
Die Banner hochgebläht,
Sind sie vom Geschütz erschossen
In Schwaden breit gemäht –
   O weh.

Verlassen und verloren
Strömt es ins Tal zurück.
Zu harter Fron geboren
Ohn' alles Recht und Glück.
   O weh.

Fünftes Bild.

Das bittere Ende.

6. September 1653.
Leuenbergs Gefängnis in Bern. Leuenberg, angekettet. Im Vordergrund Stadtsoldat als Wache.

L e u e n b e r g : Zwölf Wochen schon bin ich hier an die Wand geschlossen. Immer wieder bin ich verhört worden.
Immer wieder bin ich gefoltert und gequält worden.
Es ist dabei meine Unschuld erwiesen. Ich hab' einzig des Landes Bestes gewollt. –
Ich habe in grossem Sturm und Aufruhr das Steuer sicher geführt. Ist niemand zu Schaden gekommen oder gar um Leib und Leben, bis der erste Schuss gefallen. –
Ich habe reine Hände.
Es ist eine Qual, so lange angeschlossen zu sein in einem dunklen Loch, ohne Luft, ohne Licht.
Herdengeläut!
Das Rauschen der reifenden Felder!
Vogelstimmen!

*
Musikalisches Zwischenspiel:  W e  i  s s e  W o l k en.
*

Wann werd' ich wieder den blauen Himmel sehen und zu den Meinen heimkehren?
W a c h e : Den blauen Himmel sehen?
Das könnte euch heute noch passieren. Heut oder morgen. Man munkelt von morgen früh.
L e u e n b e r g : Heut oder morgen! Ist das möglich!
Aber wozu die immerwährenden Verhöre?
Und wo sind meine guten Kameraden und Freunde? Sind sie auch noch immer gefangen wie ich hier?
W a c h e : Gewesen, gewesen.
Hat man längst unter euern blauen Himmel geführt.
L e u e n b e r g : Man hat uns eingesperrt wie Räuber und Mörder.
Und in Eisen geschlossen. Ist uns mit Argwohn begegnet und Misstrauen,
Da wir aufrechte Freunde des Volkes gewesen. –
Das Volk?!
Das Volk verging in Not
Der große Preisfall war das Unglück.
Der große Preisfall.
Das hat uns ins Elend gebracht und die Schulden anwachsen lassen, turmhoch.
Kein Mensch hat uns geholfen.
Wir mussten uns selbst helfen.
Wir haben dem Volk den Vertrag von Murifeld erstritten.
Der Vertrag vorn Murifeld wird bleiben!
W a c h e : Der Vertrag vom Murifeld! Zum Mindesten!
Könnt euch drauf verlassen.
L e u e n b e r g : Wenn man es bedenkt:
Wir haben Verträge unterschrieben, Land auf, Land ab, gehen in viele Tausend Pfund.
Und sind abgeschlossen, als man 24 Pfund löste für ein Mütt Roggen.
Heute löst man noch zwölf, löst man noch die Hälfte.
Um dasselbe Geld doppelt soviel Arbeit.
Doppelt soviel Ware.
Doppelt soviel Müh und Schweiss und Sorgen.
Dem Bauer wird zugemutet, er soll doppelt soviel leisten als zur Zeit, da die Verträge abgeschlossen.
Doppelt soviel als ausbedungen.
Haben sie nicht verstanden, was sie an uns getan?
Oder haben sie gar unser Verderben gewollt mit Fleiss?
Wäre es möglich?
Haben sie es nicht anders verstanden, dass all unsre Verträge gefälscht waren, dass das Geld, was sie von uns verlangten, ein ander Geld war als das, was sie hingegeben hatten?
Haben sie es nicht verstanden? -
Es war doch ihre Pflicht, es war doch ihres Amtes, unsre Verträge zu sichern gegen Betrug?
Derlei kann unsre gestrenge Obrigkeit niemalen als Recht ansehen.
Derlei ist unerhört in allen Landen und zu allen Zeiten.
Und Bittschriften, derlei abzustellen, sind nicht mehr als recht und billig.
Sollen Verträge nichts mehr gelten?
Sollen Verträge gewendet und verdreht werden dürfen, verdreht ins Ungeheuerliche?
Unsre Forderungen waren nicht mehr als recht und billig.
Darf da unsre Abwehr als Rebellion taxiert werden?
Als Landfriedensbruch, als Hochverrat?
Wir waren Sachwalter der Gerechtigkeit, Beschützer der Unglücklichen und Bedrängten -
Und man behandelt uns als Strauchdiebe und Mordbrenner!?
W a c h e (gleichgültig): Die Sache sieht anders aus, wenn man sie von der Junkerngasse her betrachtet.
Wenn so zwei-, dreitausend Bauernlümmel vor die Stadt ziehen und Anstalt machen, die Pässe zu besetzen und alle Zufuhr abzuschneiden, so kommt einem der Aufzug just nicht vor wie eine Erscheinung von zweitausend Heiligen.
L e u e n b e r g : Wir haben nie etwas anderes begehrt, als was rechtens, und was wir kraft unsrer alten Bräuche und Rechte verlangen durften.
W a c h e (barsch) : Ich hab euch nicht Red und Antwort zu stehen.
Erzählt eure Siebensachen den gnädigen Herren. Hier habt ihr nur das Maul zu halten, versteht ihr?
(Macht sich's bequem und nickt ein.)
---------------------------------------------------------------
S t i m m e : Leuenberg, Klaus Leuenberg! Hört ihr mich? Könnt ihr mich verstehen?
L e u e n b e r g : Ich höre euch wohl, wer seid ihr?
S t i m m e : Daran liegt wenig. Ich bring euch Grüsse von eurer Frau, Leuenberg, und von euern Kindern.
L e u e n b e r g : Von Frau und Kind! Grüsse von Frau und Kind!
Und was machen meine Freunde?!
Mühen sie sich denn nicht, dass mir die Ketten abgenommen werden, dass das eiserne Tor sich öffnet, und ich wieder Luft schöpfen kann! Ich ersticke hier in Finsternis und Unrat.
S t i m m e : Eure Freunde? Sie können euch nicht helfen, sie sind tot!
Leuenberg: Tot?
S t i m m e : Hans Emmenegger, der Pannermeister, Kaspar Steiner und Friedli Bucher starben am Galgen, und viele, viele mit ihnen,
L e u e n b e r g : Und der Sägisser von Aarwangen? Der Flückiger von Rohrbach und Bernhart Herzog von Langenthal?
S t i m m e : Man hat sie gefoltert und enthauptet.
L e u e n b e r g : Und all die Getreuen aus dem Baselbiet? Uli Schad, der Stutz, der Gysin, der Konrad Schüler?
S t i m m e : Sie sind allesamt schmachvoll hingerichtet.
Auch der Untervogt Zeltner ist enthauptet worden trotz hoher Fürsprache, gleich wie euer Mitstreiter, der Schybi.
L e u e n b e r g : Schybi!
Stimme. Er starb nach tapfer bestandener Folter, mannhaft und aufrecht. Und viele, viele wurden landesverwiesen, viele sind gebüsst, viele sind auf die Galeeren verschickt worden.
Das Unglück im Land ist gross.
-------------------------------------------------------------------
Eure Frau und eure Kinder denken an euch und bitten für eure Seele in dieser schweren Stunde.
L e u e n b e r g (er beginnt zu verstehen): In dieser schweren Stunde?
(schreit) Was soll das heißen? So antwortet doch! So gebt doch Antwort! -
(Pause. Er hat verstanden. Starr und kalt.)
Ich soll sterben. –
So habe ich mein Land ins Unglück geführt und meine Freunde in den Tod.

*
Musikalisches Zwischenspiel:  D u n  k l e  S c h l e i e r.
*

Wir haben uns zu Führern aufgeworfen. Ich habe das rote Kleid getragen. Auf uns lag die Verantwortung. Mit welchen Waffen dem Unglück zu wehren war - wir mussten es wissen.
Mit dem Schwert?
Wer das Schwert nimmt, muss durch das Schwert umkommen.
(Trommelwirbel, der Wachtsoldat schrickt auf.)
W a c h e : Sie kommen! Leuenberg, sie kommen, sie holen euch.
Leuenberg, sie holen euch zum Tod.
L e u e n b e r g : Sie sollen kommen.
Mein Leben ist vorbei aber das Land, das Land!
Soll das Land immer wieder zittern in Angst und Not?
Soll es immer wieder betrogen werden, übervorteilt und verhöhnt?
--------------------------------------------------------------------
(Trommelwirbel, Bewaffnete kommen herein.)

Es wird eine Zeit kommen, da sie dem Unglück anders wehren als mit Waffen.

Vorhang.

Das Leuenberg-Lied.

Männerchor.

Was rauscht durch unsre dunkle Zeit -
Es tönt wie Knistern vor dem Brand!
Es reitet nachts im roten Kleid
Der Leuenberger durch das Land.
  Es schlägt uns heut die rechte Stund
  Zu einem neuen Bauernbund.

Dieselbe Not, derselbe Schrei
Gellt durch die grünen Täler weit:
Dieselbe Geldbetrügerei
Wie seinerzeit, wie seinerzeit.
  Es schlägt uns heut die rechte Stund
  Zu einem neuen Bauernbund.

Der rote Reiter klopft bei Nacht,
Er klopft bei Nacht an deine Tür,
Und wer in Sorg und Not erwacht,
Der tritt als Streiter froh herfür.
  Es schlägt uns heut die rechte Stund
  Zu einem neuen Bauernbund.


(Anhang)

Die Deflation 1648-1653
als Ursache des Bauernkrieges
„Brevis relatio discordiae"
verfasst 1653 von Ludwig Cysat, Landvogt, stilistisch überarbeitet von seinem Zeitgenossen Kaplan Jacob Wagenmann in Willisau.

Ganz Deutschland brannte in heller Kriegsflamme, litt an grossem Getreidemangel, rang mit eigenem Verderben, und lag stöhnend in den letzten Zügen; für Deutschlands nähere Provinzen war nirgends Zuflucht und Nahrungsquelle als in der eben nicht fruchtbaren Schweiz. In Scharen kamen deutsche Flüchtlinge in die Schweiz und diese konnte kaum bei der schnell anwachsenden Bevölkerung hinlänglich Nahrungsmittel darbieten; daher stiegen Wein und Getreide und alle Lebensmittel auf einen ungewöhnlichen Preis (3); auch Wohnungen und kleine Gebäude wurden, bei der beträchtlichen Anzahl der deutschen Einwanderer, um große Summen vermietet oder verkauft. Dadurch bereicherten sich die Bauern, gewöhnten sich an Luxus, schwelten und schlemmten, und trieben, wegen des häufigen Geldes (2), was durch die deutschen Flüchtlinge in die deutsche Schweiz kam (1), ihre Güter, Aecker; Häuser und Höfe auf den höchsten Preis (3). Auch die höheren Stände, durch die Verschwendungssucht der Bauern gemästet, ergaben sich über Gebühr dem Luxus in Kleidern, Gastmählern und Hausgerätschaften.

Als nun aber durch Gottes Erbarmung und Gnade der Krieg in Deutschland endigte, und der Friede zurückkehrte (1648), hatte jenes Land wegen seiner Fruchtbarkeit bald wieder Ueberfluss an solchen Lebensmitteln, die bisher um teures Geld aus der Schweiz bezogen wurden, und mit den deutschen Flüchtlingen, die wieder heimkehrten, ging auch das Geld aus der Schweiz fort (5). Die höheren Stände hingegen hielten für sicherer, ihr Geld auf Einsatz unbeweglicher Güter anzuleihen, als in baren Summen, die der räuberische Soldat jeden Augenblick wegnehmen konnte, zu behalten. Sie liehen es daher den Bauern, indem diese ihre Güter ihnen dafür verpfändeten. Wie nun, solange der Krieg in Deutschland währte, alle Güter, Höfe und Aecker in hohem Werte standen, um mehr als billigen Preis gekauft wurden (4), so, als des Friedens Oelzweig wieder aufgründete, sank der Wert und Preis des Grund und Bodens und der Lebensmittel mit jedem Jahr und Monat, mit jeder Woche und Stunde (7). Mittlerweile jedoch blieb, nach Vertrag und Versprechen, die Verpflichtung zur Bezahlung, es blieben die Schuldtitel und die jährlichen Zinse (8); ausblieben hingegen die Käufer, und mit ihnen jene holde Göttin, das Geld und das Gold, welches früher haufenweise mit den deutschen Emigranten in die Schweiz strömte (1), war, wie sie fortzogen, ebenfalls verschwunden (5). Zur nämlichen Zeit geriet auch der gewohnte und einträgliche fremde Kriegsdienst ins Stocken, durch welchen Hauptleute und Soldaten sich und die Ihrigen zu Hause gar leicht und sogar prächtig ernähren und erhalten konnten; und wenn auch noch einige. Werbungen nach Frankreich und Italien stattgefunden hatten, so war doch die Geldkasse der Fürsten überall durch langwierigen Krieg erschöpft, und der gebührende Sold sowie die Jahr Gelder und Pensionen wurden nicht mehr bezahlt; daher die Angeworbenen ärmer zurückkehrten, als sie fortgezogen waren. Zu Hause serbten sie müssig dahin, und der angestrengten Arbeit, welche Helvetiens rauher Boden zu seiner Bebauung verlangt, überdrüssig, sannen sie zuletzt auf Anstiftung innerer Unruhen.

Als nun die Bauern der Schweiz, mit Schulden beladen, durch die ungestümen Betreibungen ihrer Gläubiger genötigt wurden, von der Trunkenheit, die sie sich in früherem Wohlleben angewöhnt hatten, zur Nüchternheit zurückzukehren, konnten sie wohl einsehen, dass sie nicht im Stande seien, ihre Schulden zu bezahlen (9). Also, zur Verzweiflung getrieben, dachten sie auf Krieg, als das letzte Hilfsmittel, durch welches, nach einer unter dem Volke ruchlos verbreiteten Ansicht, auf einmal alle Schulden völlig ausgetilgt würden. Es fehlte nur noch ein Vorwand, der aber, als die Verschuldeten sich zu versammeln anfingen, sogleich auch gefunden wurde. Sie erkannten und erklärten, dass die von der Regierung gesetzten Landvögte allzu strenge seien (und zuweilen waren sie es auch), dass sie von denselben mit unbilligen Strafen belegt worden, und dass die bestehenden Gesetze mehr die Habsucht und den Eigennutz der Regenten, als die Gerechtigkeit und den öffentlichen Wohlstand befördern. Es ergingen Klagen über lästige, erst jüngst, gegen alle bisherige Uebung eingeführte Zölle, über das Salzmonopol, das die Regierungen sich zueignen, über mehrere andere schädliche Neuerungen, die unter erdichtetem Vorwande von jungen Ratsherren in die Schweiz seien eingeschwärzt worden, über hartherzige Schuldbetreibungen, über Schmälerung oder Unterdrückung der Volksfreiheiten, über schnöde Zurechtweisungen, ehrerbietiger Vorstellungen und, was die Hauptsache war, über Herabsetzung den Werts der Scheidemünze bei dem ohnehin grossen Geldmangel (6). Und denn alles andere hätten vielleicht die Bauern noch geduldig ertragen können aus diesem letzten Beschwerdepunkt entstand bald ein ungeheures Feuer, dessen Funken zuerst im Entlebuch erglüheten, und sich schnell über andere Teile der Schweiz verbreiteten. Obgleich nicht zu leugnen ist, dass alle diese erdichteten oder übertriebenen Klagepunkte das Landvolk einigermassen zum frevelhaften Aufstand ermutigt und angespornt haben, so war. es doch vorzüglich die grosse Schuldenlast (10) und die Armut, diese schlimme Ratgeberin, wodurch, als scharfe Pfeile, die meisten Empörer so zerfleischt wurden, dass sie nicht anders als durch die Gewalt des Kriegs, davon befreit werden zu können glaubten.
(Faksimilie des lateinischen Manuskripts in der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern)

Erläuterungen (1934)
1 Zustrom von Zahlungsmitteln. Infolgedessen:
2 Uebermass an Zahlungsmitteln (Inflation). Daher:
3 Steigen des allgemeinen Preisstandes, Sinken des Geldwerts, wie 1915-20.
4 Verschuldung zur Zeit des hohen Preisstandes. Nun erfolgt:
5 Abströmen der Zahlungsmittel. Infolgedessen:
6 Knappheit an Zahlungsmitteln (Deflation). Daher:
7 Sinken des allgemeinen Preisstandes, Steigen des Geldwerts. Indessen:
8 Die Buchungen bleiben der Zahl nach unverändert, Darum:
9 Die Schulden sind den gesunkenen Einnahmen gegenüber zu hoch geworden.
10 Die Aufwertung den Geldes (siehe 7!) hat die Schulden aufgewertet zu einer untragbaren Last
genau wie vom Herbst 1919 bis ins Frühjahr 1934, während welcher Zeit der Preisstand der landwirtschaftlichen Erzeugnisse in der Schweiz gesenkt wurde von 267 auf 109. Das entspricht einer Aufwertung aller damals kontrahierten Frankenschulden auf mehr als das Doppelte.

Literaturempfehlungen in der gedruckten Broschüre:
Das wirtschaftliche Wohlergehen des Volkes ist viel abhängiger von der Geldverwaltung, als man das bisher geglaubt hat. Nachstehende Broschüren und Zeitschriften orientieren eingehend und zeigen einen Weg aus der heutigen Misswirtschaft.

«Freiwirtschaftliche Zeitung», Verlag H. Gerber, Schwarzenburg; jährl. Fr. 8.-, halbjährl. Fr. 4.20, Einzelnummer 20 Rp. an den meisten Kiosken.
Orientiert fortlaufend über die wichtigsten wirtschaftlichen Tagesfragen und nimmt zu ihnen Stellung, bringt grundlegende Aufsätze etc. Erscheint wöchentlich.

«Geld und Arbeit», Verlag Feuz, Bern; jährlich Fr. 7.50, Einzelnummer 80 Rp. an den meisten Kiosken.
Reich illustrierte Monatsschrift mit Beiträgen mehr feuilletonistischen Charakters.

Fritz Schwarz: Segen und Fluch des Geldes in der Geschichte der Völker: Band I bis 1908, Band II 1908 bis 1933. Je Fr. 5.-.
Dies bedeutsame Werk verfolgt den Gang der Weltgeschichte vom Gesichtspunkt der Rolle des Geldwesens aus. Die sich ergebenden neuen Zusammenhänge und Deutungen sind erstaunlich und werfen Licht auf bisher ungeklärte Geschehnisse.

Fritz Schwarz: Vorwärts zur festen Kaufkraft des Geldes. Fr. 1.-.
Eine Geschichte der Freiwirtschaftsbewegung. Mit Beiträgen von Erzbischof Kordac und August Forel.

Silvio Gesell: Gold und Frieden? Fr. -.50.
Die Rede, die der Begründer der Freiwirtschaftsbewegung am 28. April 1916 in Bern gehalten hat.

Dr. Th. Christen: Was heute jedermann vom Geld wissen muss. Fr. -.20.

Sämtliche Schriften sind zu beziehen durch Pestalozzi Fellenberg Haus Bern, Schwarztorstrasse 76.
Auskunft: INWO - Schweiz, Bahnhofstrasse 102, Postfach, CH-5001 Aarau, http://www.inwo.ch/
Anmerkungen des Webmasters:

Niklaus Leuenberger, geboren um 1611 im Schönholz bei Rüderswil. Nach der Niederlage der Bauern bei Herzogenbuchsee im Juni 1653 wurde er dem Landvogt Tribolet ausgeliefert und am 6./16. September 1653 in Bern geköpft und geviertelt. Sein Kopf wurde neben dem Huttwiler Bundesbrief an den Galgen genagelt, seine Glieder an den vier Landstrassen vor Bern ausgestellt.

Christian Schybi, Luzerner Bauernführer, von Escholzmatt
Johann Konrad Brenner, Notar in Münsingen, aus der Markgrafschaft Baden stammend
Hans Emmenegger, Pannerherr des Entlebuchs
Emanuel Sägesser, Schulmeister zu Aarwangen

Samuel Tribolet,
Landvogt zu Trachselwald, hart, geldsüchtig und verhasst
: "dem hochmüetigen und gäldgierigen Samuel Tribolet von Bern: Tribolet du toller Gast, aller Bauren Überlast, ohne Ruehm und Lob du bist, Tribolet du schnöder Christ."


22. November 1652: Batzenabruf, Herabsetzung des Berner Batzens um die Hälfte.
13./23. April 1653: Bauernlandsgemeinde zu Sumiswald; Leuenberger wird Obmann des Bundes, Emmenegger wird Generaloberst.
4./14. Mai 1653: Bundesschwur zu Huttwil von Bauern aus den Untertanengebieten von Bern, Luzern, Solothurn und Basel.
10./20 Mai 1653: Beginn des Krieges, die Bauern ziehen vor Bern
18./28. Mai 1653: Murifeld-Vertrag zwischen den Bauern und der Stadt Bern - wird von der Stadt nicht innegehalten. Die Bauern gehen nach Hause, die von der Stadt aufgebotenen welschen Truppen marschieren ein. Die Zürcher rücken gegen den Aargau vor.
24. Mai/3. Juni 1653: Gefecht bei Wohlenschwil mit dem reformierten Tagsatzungsheer
25. Mai/4. Juni 1653: Der Vertrag von Mellingen bestätigt die Niederlage der Bauern; das Bauernheer löst sich auf - der Vertrag wird von den Städten nicht eingehalten.
29. Mai/ 7. Juni 1653: Letztes Gefecht bei Herzogenbuchsee; Bern siegt mit seinen treuen Waadtländern. "Wyl sy zu Herzogenbuchsi von 2000 Mann Widerstand und viel Trotzens gefunden, haben sy selbiges Dorf in Äschen gelegt und by siebzig Firsten mit Brand zugrunde gerichtet."
6./16. September 1653: Leuenberger wird in Bern geköpft und geviertelt.
25. Oktober 1653: Ueli Galli, "Der Rebell von Eggiwil", "Hauptursächer des Bauernaufstandes", stirbt als einziger den entehrenden Tod am Galgen.
Zur Chronologie: Die katholischen Kantone hatten bereits den Gregorianischen Kalender angenommen, während die reformierten noch am Julianischen festhielten, der 10 Tage nachging. (Die Daten und Namen sind nicht in allen Darstellungen gleich.)

Hans Bernoulli: geb. 17. 2. 1876 in Basel, gest. 12. 9. 1959 ebd. - Architekt und Prof. für Städtebau an der ETH Zürich, Mitgründer des Schweizer Freiwirtschaftsbundes
Sein kämpferisches Temperament fand in Artikeln seiner "Zeitschrift für eine natürliche Wirtschaftsordnung" und in politisch-satirischen Gedichten Ausdruck.
Er wurde deswegen 1938 unter Aberkennung des Professorentitels von der ETH entlassen. Die Universität Basel verlieh ihm den Dr. h.c. Sein Wirken als Architekt findet im Internet reichlichen Niederschlag.

Mehr zum Grossen Schweizerischen Bauernkrieg von 1653 mit einigen Links finden Sie auf dieser Seite.
Der schweizerische Bauernkrieg von 1653 (Aus: Fritz Schwarz, Segen und Fluch des Geldes in der Geschichte der Völker, 1925)

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Freiwirtschaft - was ist das? (Hansjörg Weder) (1995)
Ziel und Weg des Liberalen Sozialismus (Werner Schmid) (1971)
Das Programm der Freiheit der Liberalsozialistischen Partei der Schweiz (1947)


Der schweizerische Bauernkrieg von 1653 (Aus: Fritz Schwarz, Segen und Fluch des Geldes in der Geschichte der Völker, 1925)
Texte und Bilder zum Grossen Schweizerischen Bauernkrieg von 1653
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