Schweizerische Alkoholpolitik
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In tiefer Trauer |
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Die Zusammenführung der
drei Expertenkommissionen für Alkohol, Tabak und Drogen zu einer
neuen Suchtkommission wird für 2012 vorgesehen.
Am 1. August 2007 wurden im Bundesamt für Gesundheit die beiden Sektionen
Alkohol und Tabak zu einer Sektion zusammengelegt.
(Quelle: spectra 64 / August-September 2007 - als
PDF herunterladen)
"Das Nationale Alkoholprogramm
soll eine Art Masterplan werden, in dem die Aufgaben und Rollen der massgeblichen
Akteure diskutiert und die Arbeiten koordiniert werden, um so Synergien
zu nutzen... Es wird in einem zweijährigen Prozess partizipativ erarbeitet
und bis Ende 2007 dem Bundesrat vorgelegt werden." (Bundesamt
für Gesundheitswesen)
Und was geschieht 2007? Es wird weiter gesoffen (§11:
Porro bibitur).
In gut helvetischer Konkordanz-Tradition wird nach einem Kompromiss gesucht.
Wer "partizipativ mitarbeitet" kann nur vermutet werden.
Im Monat August 2007 - im 8. Monat des neuen Programms - wird das vertrauliche
Dokument öffentlich ohne dass die Bundesanwaltschaft eingreift. Der
Reaktion der am Verkauf von Alkohol interessierten Kreise ist anzunehmen,
dass es eine gezielte Indiskretion war.
Ausgeschlachtet und abgeschlachtet wird der wohl wirksamste Vorschlag:
Der Alkoholverkauf in Läden zwischen 21 und 07 Uhr soll verboten
werden. Warum die am Verkauf von Alkohol interessierten Kreise
diese Massnahme gleichzeitig als wirkungslos bezeichnen und bekämpfen,
ist deren Geheimnis.
Da Wahlkampf herrscht, wimmelt es von "Alternativen". So sollen
im Koma hospitalisierte Jugendliche zu nützlicher Arbeit verpflichtet
werden oder die Eltern sollen die Spitalkosten bezahlen. Also am Ende
der Kette Alkoholverkauf-Alkoholkonsum-Trunkenheit-Spital
angreifen, statt am Anfang. Jede Flasche Alkohol, die ein Jugendlicher
trinkt, ist durch die Hand eines Erwachsenen gegangen.
(Der letzte Plan
galt von 2001 bis 2005. War 2006 planlos?)
Der neue Plan:
Parturient montes, nascetur ridiculus mus.
Zum neuen Plan
Die Revision des Wirtschaftsgesetzes des Kantons Appenzell-Ausserrhoden
im Jahre 1981 war vielleicht das erste Anzeichen einer Trendwende: Die
Bedürfnisklausel für alkoholführende Wirtschaften wurde
unter lautem Jubel über Bord geworfen. («In den Voralpen beginnt
die Freiheit beim Alkohol*», spottete die «Weltwoche»).
Diesem schlechten Beispiel folgten fast alle Kantone und in fast allen
Kantonen stellt man seither fest, dass zu viele Alkoholquellen neu aufgehen
und dass die alkoholfreien Gaststätten «überraschenderweise»
aussterben. Im gleichen Aufwasch wurden oft andere Einschränkungen
liquidiert wie z.B. die Polizeistunde oder das Wirtepatent.
Schlanke Gesetze werden Mode oder besser noch gar keine Gesetze. Betrüblich
an diesen kantonalen Revisionen ist nicht nur ihr Inhalt, sondern der
Mangel an Dialog und Reflexion. Die Wiedergeburt des Nachtwächterstaates
verknüpft mit der Globalisierung der Märkte und der Abschaffung
der Handelsgrenzen haben ihren Niederschlag auch in der schweizerischen
Alkoholpolitik gefunden: Alkohol wird wieder zu einem Konsumgut wie jedes
andere auch.
In den 90er Jahren wagte die Weltgesundheitsorganisation Jahrzehnte nach Jellinek wieder, sich mit dem Alkoholproblem zu befassen und zwar nicht nur unter medizinischen, sondern unter gesamtgesellschaftlichen Aspekten. Im Jahr 1992 wurde der "Europäische Aktionsplan Alkohol" verabschiedet. "Man kann Alkohol nicht wie andere Konsumgüter behandeln, deren Konsumniveau durch die freien Kräfte des Marktes bestimmt werden. Alkohol ist ein ganz besonderer Saft", meinte Frau Dr. Kickbusch dazu.
Hoffentlich setzen die Kräfte durch, die wieder wie Babor et al. sagen: "Alkohol – kein gewöhnliches Konsumgut" – womit der Kreis geschlossen wäre...
*"Im Hochland fiel der erste Schuss", Ferdinand Freiligrath, "Neuere politische und soziale Gedichte", 1849-51 - von ihm aber positiv gemeint in einem Gedicht zum schweizerischen Sonderbundskrieg 1847 als Auftakt zum Revolutionsjahr 1848.
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Kampf um die Ehre von Wein und BierTöten Alkoholika? Die EU-Kommission plant entsprechende Warnhinweise und sorgt damit bei den Brüsseler Lobbyisten für Gegenwehr. |
AlkoholDer Alkoholkonsum ist einer der Hauptgesundheitsfaktoren in Europa, bei denen angesetzt werden muss. Europa ist der Kontinent mit dem höchsten Pro-Kopf-Alkoholkonsum der Welt. In etablierten Marktwirtschaften wie den EU-Mitgliedstaaten wird die volkswirtschaftliche Belastung durch alkoholbedingte Krankheiten und Unfälle auf 8-10 % geschätzt.Daher stellt die Bekämpfung alkoholbedingter Schäden in vielen
Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene eine Priorität des Gesundheitswesens
dar. Besorgniserregend sind nicht nur die gesundheitlichen Folgen im engeren
Sinne. Auch die soziale Dimension ist zu berücksichtigen: Gewalttaten,
Rowdytum, Kriminalität, Familienprobleme, soziale Ausgrenzung, Probleme
am Arbeitsplatz und Trunkenheit am Steuer. Dies sind alles Bereiche, in
denen politischer Handlungsbedarf besteht. Die Mitgliedstaaten sind sich
darüber einig, dass neben einzelstaatlichen Bemühungen eine
gemeinsame Strategie auf Gemeinschaftsebene vonnöten ist. Kantonale Alkohol-Aktionspläne (KAAP)Um den Alkoholproblemen auf nationaler wie kantonaler Ebene wirksam und vernetzt entgegen zu treten, hat die EKA im November 2000 einen umfassenden Nationalen Alkoholaktionsplan (NAAP) veröffentlicht. Da viele im NAAP enthaltenen Massnahmen im Kompetenzbereich der Kantone liegen, hat die EKA im Sommer 2003 das Projekt KAAP lanciert. Alkohol: Gesetzliche Bestimmungen zum Thema VerhältnispräventionBereits zum vierten Mal fand
am 28. August 2006 unter der Schirmherrschaft der Eidg. Kommission für
Alkoholfragen (EKA) die Tagung «Kantonale Alkoholaktionspläne»
(KAAP) statt. Die Gesetzgebungen von Bund und Kantonen bieten zahlreiche
Möglichkeiten für die Gestaltung der Prävention. Viele
der «Best practices», die in der internationalen Forschungsliteratur
vorgestellt werden, sind auf die Schweiz gut übertragbar und in gewissen
Kantonen bereits umgesetzt.
Die
neuesten alkoholpolitischen Entwicklungen finden Sie auf der Seite mit
dem aussagekräftigen URL und dem spannenden Inhalt:
http://www.alkoholpolitik.ch/
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