Verringerung
der Alkoholschäden bei Jugendlichen
ERKLÄRUNG ÜBER JUGEND UND ALKOHOL
(Verabschiedet in Stockholm am 21. Februar 2001 von der
Europäischen ministeriellen Konferenz der WHO "Jugend und Alkohol")
Europas Gesundheitsminister
sagen: "Jetzt ist es Zeit zu handeln!"
Die von den Mitgliedstaaten
1995 verabschiedete Europäische Charta Alkohol beschreibt die Leitprinzipien
und Zielvorgaben zur Förderung und zum Schutz der Gesundheit und
des Wohlergehens aller Bürger in der Region. Die vorliegende Erklärung
zielt darauf ab, Kinder und junge Menschen davor zu schützen, einem
Druck zum Alkoholkonsum ausgesetzt zu werden, sowie auf eine Minderung
des ihnen direkt oder indirekt durch Alkohol zugefügten Schadens.
Die Erklärung bekräftigt
die fünf Prinzipien der Europäischen Charta Alkohol:
Alle
Bürger haben das Recht auf ein vor Unfällen, Gewalttätigkeit
und anderen negativen Folgen des Alkoholkonsums geschütztes Familien-,
Gesellschafts- und Arbeitsleben.
Alle
Bürger haben das Recht auf korrekte, unparteiische Information und
Aufklärung – von früher Jugend an – über die
Folgen des Alkoholkonsums für die Gesundheit, die Familie und die
Gesellschaft.
Alle
Kinder und Jugendlichen haben das Recht, in einer Umwelt aufzuwachsen,
in der sie vor den negativen Folgen des Alkoholkonsums und so weit wie
möglich vor Alkoholwerbung geschützt werden.
Alle
alkoholgefährdeten oder alkoholgeschädigten Bürger und
ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Zugang zu Therapie und
Betreuung.
Alle
Bürger, die keinen Alkohol trinken möchten oder die aus gesundheitlichen
oder anderen Gründen keinen Alkohol trinken dürfen, haben das
Recht, keinem Druck zum Alkoholkonsum ausgesetzt zu werden und in ihrem
abstinenten Verhalten bestärkt zu werden.
Begründung
Gesundheit und Wohlergehen
sind ein grundlegendes Recht jedes Menschen. Schutz und Förderung
der Gesundheit und des Wohlergehens von Kindern und Jugendlichen sind
ein zentrales Anliegen der Konvention der Vereinten Nationen über
die Rechte des Kindes und ein wesentlicher Teil des WHO-Rahmenkonzepts
GESUNDHEIT21 sowie der Mission von UNICEF. In Bezug auf Jugendliche und
Alkohol identifiziert der Europäische Aktionsplan Alkohol (2000–2005)
der WHO die Notwendigkeit, im häuslichen Bereich, in Bildungseinrichtungen,
am Arbeitsplatz und in der örtlichen Gemeinschaft ein unterstützendes
Umfeld zu bieten, um Jugendliche vor einem Druck zum Alkoholkonsum zu
schützen und die vielfältigen alkoholbedingten Schäden
zu verringern. Ferner bietet sich demnächst eine wichtige Gelegenheit,
den Fragenkomplex Jugend und Alkohol auf die politische Agenda zu bringen,
da sich die Regierungen weltweit auf die Sondersitzung der Generalversammlung
der Vereinten Nationen zum Thema Kinder vorbereiten, die im September
2001 stattfindet und für die UNICEF die Sekretariatsfunktion wahrnimmt.
Das Lebensumfeld der Jugendlichen
Die Globalisierung der Medien
und Märkte prägt die Ansichten, Entscheidungen und Verhaltensweisen
der Jugend immer stärker. Viele Jugendliche haben heute zwar mehr
Möglichkeiten und verfügen über mehr finanzielle Mittel,
sind aber durch die (aggressiver gewordenen) Verkaufsmethoden und Marketingtechniken
für Verbrauchsgüter und potenziell schädliche Substanzen
wie Alkohol stärker gefährdet. Gleichzeitig hat die vorherrschende
freie Marktwirtschaft die existierenden Public-Health-Sicherheitsnetze
in vielen Ländern durchlässig gemacht und die sozialen Strukturen
für junge Menschen geschwächt. Der rasche soziale und wirtschaftliche
Wandel, Bürgerkonflikte, Armut, Obdachlosigkeit und Isolation haben
die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Alkohol und Drogen eine größere
und destruktive Rolle im Leben vieler junger Menschen spielen.
Trends der Trinkgewohnheiten
Die Haupttrends der Trinkgewohnheiten
junger Menschen sind: zunehmende Alkoholerfahrungen unter Kindern und
stärkere Verbreitung von mit hohen Risiken verbundenem Trinkverhalten
wie z. B. ,,Besäufnisse“ (Binge Drinking) und Rauscherfahrungen,
vor allem unter Heranwachsenden und jungen Erwachsenen, sowie Mix von
Alkohol mit anderen psychotropen Substanzen (Mehrfachdrogenkonsum). Unter
Jugendlichen gibt es eindeutige Zusammenhänge zwischen dem Konsum
von Alkohol, Tabak und illegalen Drogen.
Die Kosten des Alkoholkonsums
von Jugendlichen
Jugendliche sind stärker
gefährdet, körperliche, emotionale und soziale Schäden
aufgrund ihres eigenen Alkoholkonsums oder wegen des Alkoholkonsums Dritter
zu erleiden. Zwischen riskantem Trinkverhalten und Gewalt, riskantem Sexualverhalten,
Verkehrs- und sonstigen Unfällen, dauerhaften Behinderungen sowie
Todesfällen besteht ein enger Zusammenhang. Die gesundheitlichen,
sozialen und wirtschaftlichen Kosten von alkoholbedingten Problemen unter
Jugendlichen belasten die Gesellschaft erheblich.
Public Health
Die Gesundheit und das Wohlergehen
vieler Jugendlicher in der heutigen Zeit sind ernsthaft durch den Konsum
von Alkohol und anderen psychotropen Substanzen gefährdet. Aus Sicht
der öffentlichen Gesundheit ist die Botschaft klar: Beim Alkoholkonsum
gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, welche Menge als risikolos
angesehen werden kann – vor allem nicht für Kinder und junge
Heranwachsende, die die am meisten gefährdeten Gruppen darstellen.
Viele Kinder werden auch Opfer des Alkoholkonsums anderer Menschen, vor
allem anderer Familienmitglieder – das Resultat ist familiäre
Zerrüttung, wirtschaftliche und emotionale Armut, Vernachlässigung,
Missbrauch, Gewalt und verpasste Gelegenheiten. Public-Health-Konzepte
in Bezug auf Alkohol müssen im Interesse der öffentlichen Gesundheit
formuliert werden, ohne dass kommerzielles Interesse dabei eine Rolle
spielt. Anlass zu großer Besorgnis geben die Bemühungen der
Alkoholindustrie und des Gastgewerbes, Sport und Jugendkultur durch extensive
Förderung und Sponsorentum zu kommerzialisieren.
Erklärung über Jugend
und Alkohol, 2001
"Mit dieser Erklärung fordern wir die Teilnehmer der Europäischen
Minister-Konferenz der Weltgesundheitsorganisation WHO über Jugend
und Alkohol, alle Mitgliedstaaten, zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen
Organisationen sowie andere Interessenvertreter auf, aktiv für die
Gesundheit und das Wohlbefinden junger Menschen einzutreten und darin
zu investieren, um für diese eine gute Lebensqualität und eine
verheissungsvolle Zukunft im Arbeitsleben, bei der Freizeitgestaltung,
im Familien- und Gesellschaftsleben sicherzustellen.
Auf junge Menschen ausgerichtete alkoholpolitische Konzepte sollten Bestandteil
einer breiteren gesellschaftlichen Reaktion sein, da der Alkoholkonsum
Jugendlicher weitgehend die Einstellung und das Verhalten der Erwachsenen
widerspiegelt. Jugendliche sind eine Ressource und können konstruktiv
zur Lösung alkoholbedingter Probleme beitragen.
Als Ergänzung der breiteren
gesellschaftlichen Reaktion - wie in dem Europäischen Aktionsplan
Alkohol (2000-2005) ausgeführt - ist es jetzt erforderlich, spezifische
Ziele, Grundsätze und unterstützende Massnahmen für junge
Menschen vorzusehen. Die Mitgliedstaaten werden, unter Berücksichtigung
der unterschiedlichen kulturellen, sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen
Gegebenheiten:
1. Die folgenden Ziele
vorgeben, die bis zum Jahr 2006 erreicht werden sollen:
die Zahl Jugendlicher,
die mit dem Alkoholkonsum beginnen, wesentlich verringern;
erreichen,
dass Jugendliche erst in einem späteren Alter beginnen, Alkohol zu
trinken;
die
Verbreitung und Häufigkeit von mit hohen Risiken verbundenen Trinkgewohnheiten
unter jungen Menschen, vor allem unter Heranwachsenden und jungen Erwachsenen,
wesentlich verringern;
sinnvolle
Alternativen zum Alkohol- und Drogenkonsum bieten und/oder ausweiten und
Personen, die mit jungen Menschen zusammenarbeiten, besser aus- und fortbilden;
Jugendliche
in jugendbezogene Programme, insbesondere in Bezug auf Alkoholfragen,
stärker einbeziehen;
Jugendliche
über Alkohol besser aufklären;
den
auf Jugendliche ausgeübten Druck zum Trinken minimieren, das gilt
insbesondere in Hinsicht auf die Alkoholverkaufsförderung, den Gratisausschank,
die Werbung, das Sponsoring und die Verfügbarkeit von Alkohol, mit
speziellem Akzent auf besonderen Events;
Massnahmen
gegen den illegalen Verkauf von Alkohol unterstützen;
den
Zugang zu Gesundheits- und Beratungsdiensten sicherstellen und/oder verbessern,
speziell für Jugendliche mit Alkoholproblemen und/oder alkoholabhängigen
Eltern oder Familienangehörigen;
alkoholbedingte
Schäden, insbesondere Unfälle, Überfälle und Gewalttätigkeiten,
mit speziellem Blick auf Jugendliche, wesentlich reduzieren.
2. In vier grossen Bereichen
ein Bündel von wirkungsvollen alkoholpolitischen Massnahmen fördern:
Schutz:
Die Maßnahmen
zum Schutz von Kindern und Heranwachsenden vor Alkoholwerbung und Sponsoring
verstärken.
Sicherstellen, dass die Hersteller Kinder und Heranwachsende nicht zur Zielgruppe
für Alkoholprodukte machen. Die
Verfügbarkeit von Alkohol steuern, indem man Fragen wie den Zugang
zu Alkohol, ein Mindestalter und wirtschaftliche Massnahmen, u.a. Preisgestaltung,
die den Alkoholkonsum Minderjähriger beeinflussen, aufgreift.
Schutz und Unterstützung für Kinder und Heranwachsende bieten,
deren Eltern und Familienangehörige alkoholabhängig sind oder
die sonstige alkoholbedingte Probleme haben.
Aufklärung:
Insbesondere
unter jungen Menschen das Bewusstsein über die Auswirkungen des Alkohols
schärfen. Gesundheitsförderungsprogramme erarbeiten, die auch
auf Alkoholfragen in Settings wie Bildungseinrichtungen, Arbeitsplatz,
Jugendorganisationen und Gemeindeeinrichtungen eingehen. Diese
Programme sollen Eltern, Lehrer, Peers und für Jugendliche Zuständige
befähigen, jungen Menschen zu helfen, Lebensfertigkeiten zu erwerben
und zu praktizieren, und die Themen sozialer Druck und Risikomanagement
aufgreifen. Ausserdem
sollen Jugendliche befähigt werden, als wichtige Mitglieder der Gesellschaft
Verantwortung zu übernehmen.
Stützendes Umfeld:
Die Voraussetzungen
dafür schaffen, dass Alternativen zur Trinkkultur unterstützt
und gefördert werden. Die
Rolle der Familie hinsichtlich der Förderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens junger Menschen stärken und fördern.
Sicherstellen, dass Schulen und, nach Möglichkeit, andere Bildungseinrichtungen
alkoholfrei sind.
Schadensminderung:
Das Bewusstsein
über die negativen Folgen des Trinkens für den Einzelnen, die
Familie und die Gesellschaft verbessern. An
Orten, an denen getrunken wird, das für den Ausschank von Alkohol
zuständige Personal entsprechend schulen und Regelungen vorsehen/durchsetzen,
die den Verkauf von Alkohol an Minderjährige und betrunkene Personen
untersagen. Promillegrenzen
und Strafen für Fahren unter Alkoholeinfluss vorsehen. Geeignete
Gesundheits- und Sozialdienste für Jugendliche bieten, die aufgrund
des Alkoholkonsums von Dritten bzw. aufgrund ihres eigenen Alkoholkonsums
Probleme haben.
3. Einen breiten Prozess zur Umsetzung der Strategien und Erreichung
der Ziele etablieren:
Politisches Engagement
erreichen durch Entwicklung von umfassenden landesweiten Plänen und
Strategien - unter Einbeziehung junger Menschen - mit dem Ziel, den Alkoholkonsum
und alkoholbedingte Schäden zu verringern, insbesondere in den verschiedenen
Kategorien der jugendlichen Bevölkerung, und (mit Jugendlichen) die
diesbezüglichen Fortschritte evaluieren.
Entwicklung
von Partnerschaften, insbesondere mit jungen Menschen, durch geeignete
Netzwerke auf lokaler Ebene. Betrachtung junger Menschen als Ressource
und Förderung von Möglichkeiten für Jugendliche, an Entscheidungen,
die ihr Leben betreffen, mitzuwirken. Ein spezieller Akzent sollte auf
die Verringerung von Ungleichheiten, insbesondere in gesundheitlicher
Hinsicht, gelegt werden.
Entwicklung
eines umfassenden Ansatzes zur Behandlung der sozialen und gesundheitlichen
Probleme junger Menschen im Zusammenhang mit Alkohol, Tabak, Drogen und
verwandten Problemen. Förderung eines intersektoralen Ansatzes auf
nationaler und lokaler Ebene, um eine nachhaltige und effizientere Politik
sicherzustellen. Bei den Massnahmen zur Förderung der Gesundheit
und des Wohlbefindens junger Menschen Berücksichtigung ihres unterschiedlichen
sozialen und kulturellen Hintergrunds, das gilt insbesondere für
Gruppen mit speziellen Bedürfnissen.
Stärkung
der internationalen Zusammenarbeit unter Mitgliedstaaten. Viele politische
Massnahmen müssen auf internationaler Ebene verstärkt werden,
um volle Wirkung zu haben. Die WHO übernimmt eine führende Rolle
durch Aufbau geeigneter Partnerschaften und durch Inanspruchnahme ihrer
Kooperationsnetze in der gesamten Europäischen Region. In dieser
Hinsicht ist die Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission von
besonderer Relevanz."
Das WHO-Regionalbüro wird – über sein Europäisches
Alkohol-Informationssystem – den Verlauf der Entwicklung in der
Europäischen Region hinsichtlich der Erreichung der in dieser Erklärung
enthaltenen Verpflichtungen beobachten, (unter Einbindung von Jugendlichen)
evaluieren und darüber berichten.
(Letzte Änderung 28. Oktober 2004)
Die Begründung zur Erklärung und weitere Konferenzdokumente
finden Sie auf der Homepage der Region Europa der WHO, die höchstens
noch im Webarchiv zu finden ist.
Lesen Sie auch die Europäische Charta Alkohol (Paris 1995).
Marketing Alcohol to Young People - A brochure produced and presented
at the WHO Ministerial Conference on Young People and Alcohol in Stockholm
from 19-21 February 2001. This document is in adobe pdf format 3.7mb.
Alkohol ist die Haupttodesursache
unter jungen Männern in Europa. |