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CaO | Fe2O3 | P2O5 | |
Kuhmilch | 1,511 | 0,003 | 1,86 |
Frauenmilch | 0,243 | 0,004 | 0,35 |
Bunge zeigte, wie diese Verhältniszahlen
auf die Bedürfnisse des betreffenden Säuglings eingestellt sind,
und erklärte den im Vergleich zur Frauenmilch sechsmal höheren
Kalkgehalt der Kuhmilch dadurch, dass eben das Kälblein so viel rascher
heranwachse als das Menschenkind.
Immer des grossen Rätsels des Lebens bewusst, bekämpfte Bunge
auch die damalige Neigung besonders deutscher Gelehrter, das vorläufige
Wissen als das ganze Wissen hinzustellen. Bunge ahnte das Walten
geheimer, seiner Zeit noch nicht bekannter Kräfte in der Natur. Ob
Eiweiss, Fett, Zucker, Salze und Wasser wirklich alle zur Erhaltung des
Lebens und der Gesundheit unentbehrlichen Stoffe umfassten, wie manche
Wissenschafter damals behaupteten und was schon den Gedanken an chemisch
hergestellte Nahrungsmittel in Pillenform aufkommen liess , das könne
einzig die wissenschaftliche Beobachtung beweisen. So stellten Schüler
Bunges Tierversuche an, bei denen Jungtiere die genannten Stoffe in zureichender
Menge, aber in chemisch gereinigter Form erhielten, während Vergleichstiere
diese Stoffe zwar in gleicher Menge, aber in Form von Milch bekamen. Während
die ersten nach einiger Zeit zugrunde gingen. gediehen die zweiten.
Das zeigte unwiderleglich, dass in der Milch lebensnotwendige Stoffe enthalten
sind, die man damals noch nicht kannte. Heute kennen wir diese Stoffe
unter dem Namen Vitamine, die gerade in der Milch mannigfach vertreten
sind. Bunge war so ein Künder der Vitamine. Besonders
die unter seiner Leitung angestellten Versuche des Russen Lunin, der Schweizer
Hans Iselin, später Professor der Chirurgie, und Paul Knapp, Professor
der Ophthalmologie, gehören der Vorgeschichte der Vitaminforschung
an. Ein anderer Bunge-Schüler, Emil Abderhalden, Sohn eines Lehrers
aus Oberuzwil, wurde zum Entdecker anderer geheimnisvoller, ebenfalls
in der Milch enthaltener Schutzstoffe, der sogenannten Abwehrfermente.
Bunges Gesundheitsgewissen
wurde auch durch den schon um die Jahrhundertwende stark steigenden Zuckerkonsum
geweckt. Nicht dass Bunge den Zucker als solchen für schädlich
gehalten hätte; Zucker ist ja der Treibstoff des Muskels, und gerade
Kinder haben wegen ihres grossen Bewegungsdranges ein besonderes Bedürfnis
danach. Er umriss die drohende Gefahr sehr klar wie folgt: «Alle
unsere natürlichen Nahrungsmittel sind nicht chemische Individuen,
sondern Gemenge einer ganzen Reihe chemischer Individuen . . . Wenn man
nun aus allen diesen unentbehrlichen Stoffen einen einzigen. ein Kohlehydrat,
den Zucker, herausgreift, ihn chemisch isoliert und allein oder mit geringen
Zutaten geniesst, so werden dem Organismus zu kleine Mengen der anderen
unentbehrlichen Nahrungsstoffe zugeführt.» Er wies insbesondere
auf den damit drohenden Ausfall an Kalk hin, «an dem unsere Nahrung
oft ohnehin schon viel zu arm ist». Niemand war weniger fanatisch
als Bunge. Er schrieb in bezug auf das Zuckerthema: «Es ist ein
verbreiteter Volksglaube, dass der Zucker die Zähne schlecht mache.
Wenn dieses richtig ist, so liegt das jedenfalls nicht daran, dass das
mechanische Zerbeissen des Zuckers die Zähne schädigt, ebenso
wenig daran, dass die Säuren. die durch Gärung aus dem Zucker
im Munde entstehen, die Zähne angreifen der Zucker ist ja gerade
dasjenige Kohlehydrat, welches die kürzeste Zeit zwischen den Zähnen
verweilt , sondern es liegt daran, dass infolge der Sättigung mit
Zucker weniger Vegetabilien genossen werden, welche uns die Kalksalze
zur Ernährung der Zähne zuführen.»
Nebenbei sei bemerkt, dass der Zuckerkonsum des Schweizervolkes je Kopf
zu jener Zeit weniger als die Hälfte des heutigen betrug. Die gewaltige
Ausbreitung der Zahnkaries schon bei den Kindern ist also leicht zu erklären.
Bunges Interessen galten stets
praktisch bedeutsamen Fragen. Keiner war weniger Theoretiker als er. So
ist es, nicht erstaunlich, dass auch dort, wo man theoretische Voraussetzungen
anzunehmen geneigt sein könnte, dies nicht zutrifft, nämlich
bei Bunges Eintreten für die Abstinenz. Für den obligaten öffentlichen
Vortrag, mit dem sich in Basel neue Dozenten der Universität einem
breiteren Publikum vorzustellen pflegten, hatte er es war im November
1886 den Titel «Die Alkoholfrage» gewählt.
Die Abstinenzbewegung war in der Schweiz schon 1877 durch den Genfer Pfarrer
Louis Lucien Rochat in Form des Vereins vom Blauen Kreuz eingeführt
worden, wenn man auch gewissermassen den Berner Gelehrten Albrecht von
Haller (1708 1777), nach dessen eigenem Zeugnis, als Abstinenten anführen
könnte. Aber beim Blauen Kreuz handelte es sich um eine religiös
fundierte Bewegung. Den Vortrag, der in etwa zwanzig Sprachen übersetzt
wurde, begann Bunge mit der Feststellung, dass die Alkoholfrage zunächst
eine physiologische Frage sei. Den Vorwurf der Askese
wies er entschieden zurück und anerkannte durchaus die Berechtigung
des Strebens nach Erhöhung unserer Tafelfreuden, sollte doch nach
ihm jede Mahlzeit ein Fest sein. Er befasste sich auch nicht mit dem damals
noch gar nicht wissenschaftlich erforschten Problem der Schädlichkeit
kleiner Alkoholmengen. Er brauchte dieses Argument nicht. Er ging von
Tatsachen wie den folgenden aus:
Gewiss gab es von jeher den Alkoholismus einer Oberschicht und den Festtagsalkoholismus
des Volkes; erst in der Neuzeit aber tritt der Alkoholismus als Massenerscheinung
auf. Früher hatten die Armut des Volkes und periodische Missernten
die Alkoholgefahr eingedämmt; nun wurden die alkoholischen Getränke
immer mehr zu einer regelmässigen Verbrauchsware, die überall
und zu jeder Zeit angeboten wurde. Seit dem Dreissigjährigen Kriege,
besonders aber seit den napoleonischen Feldzügen, gefolgt von der
Ausbreitung des billigen Kartoffelschnapses, hatte sich der Branntwein
zu den gegorenen Getränken gesellt. Die heilsame, ernüchternde
Wirkung periodischer Missernten im einheimischen Wein und Obstbau fiel
immer mehr weg, seitdem die Eisenbahn den Ausfall an landeseigenen Weinen
rasch und sicher mehr ans ausglich. Dank der Gärungsforschung und
der Kältemaschine konnte sich die Bierbrauerei zu einem technisch
und kommerziell höchst leistungsfähigen, auf unaufhörliche
Steigerung des Konsums eingestellten Gewerbe entwickeln.
Das stets wachsende Angebot von alkoholischen Getränken begünstigte
alte und schuf neue Alkoholsitten. Immer ausgesprochener wurde alles,
was man tat, von Trinken begleitet. Jahrhundertealter Volksglaube vom
Wert des Alkohols begünstigte solche Entwicklungen. Lange vor den
modernen Büchern über Massenpsychologie betonte Bunge die unwiderstehliche
Macht des Nachahmungstriebes und damit die Macht der Alkoholsitten. «Wir
dürfen nicht vergessen», sagte er, «dass die grosse Mehrzahl
der Menschen überhaupt nicht nach Gründen fragt. Sie fragen
niemals: Warum soll ich des machen? , sondern immer nur:
Wie macht man es?»
Tatsache war es auch, dass in der Schweiz unzählige Menschen an der
Trunksucht zugrunde gingen und zahllose Kinder und Frauen indirekt zu
Opfern des Alkoholismus wurden. Bunge sprach eine Wahrheit aus, die heute
auch von allen ärztlichen Spezialisten anerkannt
wird, wenn er schrieb. «Es ist noch niemals ein Trinker gerettet
worden durch den Vorsatz der Mässigkeit. In allen Fällen, in
denen dies gelingt, gelingt es Immer nur durch die Überzeugung, dass
die einzige Rettung die Vermeidung des ersten Glases ist.» Gewiss
gibt es innere Ursachen, die zur Trunksucht disponieren
können; aber die weitaus grösste Zahl von Alkoholikern sind
Opfer der allgemein herrschenden und zu Bunges Zeit auch in akademischen
Kreisen despotischen – Alkoholsitten. Diese Sitten ändert man
aber nicht dadurch und wer wollte Bunge hierin widersprechen? , dass man
sie nur in mässiger Weise mitmacht, sondern dadurch. dass man sie
nicht mitmacht, ihnen neue Sitten gegenüberstellt.
Der berühmte Basler Physiologieprofessor hielt es nebenbei gesagt
nicht unter
seiner Würde, an Sitzungen von Basler Abstinenzvereinen Seite an
Seite mit zu rettenden Trinkern teilzunehmen. Auf der anderen Seite fand
er seine grösste Freude an einem grossen Kreis junger Menschen, die
sich um ihn sammelten und seine Leitgedanken tatkräftig verbreiteten.
Bunge hat die ungeheure Aktualität
nicht mehr erlebt, die das Alkoholproblem mit dem Anbruch des
technischen Zeitalters erfahren hat: mit dem motorisierten Strassenverkehr,
dem Eindringen oft gefährlicher Maschinen in Gewerbe, Landwirtschaft
und Armee, der erhöhten Arbeitsdisziplin . . . aber auch mit einer
alle Schwächen der menschlichen Natur ausbeutenden, von Verantwortungsgeist
unbeschwerten Reklametechnik.
Nachdem die Alkoholgefahr in der Zwischenkriegszeit eine Rückbildung
erfahren hat' ist sie im Zeichen der Hochkonjunktur wieder beunruhigend
im Vordringen begriffen: Gegen
über den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg ergibt sich eine Zunahme
des Verbrauches je Kopf um 30% beim Bier, um 40% bei den gebrannten Getränken;
Verfünffachung des Whiskyimportes innert einem halben Dutzend Jahren;
Verdoppelung der Zahl von Todesfällen an alkoholischer Leberzirrhose
dieses Gradmessers des Alkoholfiebers in einem Land. Die Warnrufe von
Spitalärzten über die auffallende Häufigkeit von Trinkern
in den medizinischen Abteilungen für Männer,
sowie der Direktoren von Heil- und Pflegeanstalten über
den hohen Anteil von Alkoholpsychosen unter den männlichen Erstaufnahmen
und andere Zeichen dürften bewirken, dass sich die Aufmerksamkeit
verantwortungsbewusster Magistraten, Mediziner, Erzieher und Volksfreunde
in steigendem Masse wieder der Alkoholfrage zuwendet.
Von Bunge darf man sagen. was nicht von allen Gelehrten
gesagt werden dürfte, nämlich, dass er nicht nur grosses Wissen,
sondern auch ein waches Gewissen besass.
(Joseph Odermatt)
2Karl
Ernst von Baer, 1792 -1876, Entdecker
der Eizelle von Säugetieren; "Humboldt des Nordens" genannt.
Biographie bei Wikipedia.
Home page of Karl Ernst von Baer.
Karl Ernst
von Baer-Stiftung.
Karl Ernst von Baer (1792-1876), Entdecker der Eizelle von Säuger
und Mensch.
3
Andreas Vesal
(1514–1564) gilt allgemein als der Begründer der modernen Anatomie.
1537 wurde Andreas Vesal an der Universität Padua zum ersten Professor
für Anatomie ernannt. Vesal war zur Drucküberwachung seines
grossen Anatomiewerkes De humani corporis fabrica von 1542–1543
in Basel und unterrichtete in dieser Zeit an der Universität. Das
«Vesalsche Skelettpräparat» in der Sammlung der Universität
Basel stammt von einem in Basel hingerichteten Verbrecher.
Abenteuerlicher
Beginn der Anatomie in Basel.
Biographie bei
Wikipedia.
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Die Alkoholfrage, Vortrag von G. v. Bunge Mehr zu Prof. Dr. Gustav von Bunge (Einweihung des neuen Grabmals) Joseph Odermatt: Biographie und Links zu Artikeln Beiträge zur Alkohol-Geschichte der Schweiz (Einleitung, Index)
http://www.edimuster.ch/:
Hier ist die Familie Muster in Ecublens VD - Eduard Muster:
emuster@hotmail.com
23/02/07
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