Prof. Dr. Gustav von Bunge

1844 – 1920

Wir ernten beständig, was wir nicht gesät haben; wir sollen auch säen, was wir nicht ernten können.


Das geistige Vermächtnis von Gustav v. Bunge - Zur Lösung der sozialen Frage - Gerhart Hauptmann und "Die Alkoholfrage" - Einweihung des neuen Grabmals - Gustav von Bunges Grabmal - Der Bunge-Brunnen - Bunge und der Spinat

Gustav von Bunge

Gustav von Bunge stammte aus einer nach Estland verpflanzten, ursprünglich schwedischen Adelsfamilie. Sein Vater, Alexander v. Bunge, war Professor der Botanik in Dorpat. Gustavs Onkel Friedrich Georg (1802-1897) war Rechtshistoriker und Professor in Dorpat.) Gustavs Bruder Alexander (1851-1930) war Arzt, Forschungsreisender und Zoologe.
Am 19. Januar 1844 wurde Gustav von Bunge in Dorpat geboren, besuchte dort die deutschen Schulen und die deutsche Universität, wo er auch 1877 seine Vorlesungen aufnahm. (1886-89 wurde die seit 1802 deutsche Universität kompromisslos russifiziert.) In Kiew erhielt er 1884 den Ehrendoktortitel. Im Jahr 1885 wurde Gustav von Bunge als Professor der physiologischen Chemie - heute biologische Chemie genannt - nach Basel berufen, wo er bis zu seinem Tode am 5. November 1920 blieb.
Bunges Lehrbuch der Physiologie (über 1000 Seiten!) war lange Zeit ein Standardwerk. Sein Hauptinteresse galt der Bedeutung des Kochsalzes in der Ernährung, aber auch der Zusammensetzung des Blutes, der Milch usw. Er kümmerte sich überhaupt um alle Fragen, welche die lebenswichtigen Substanzen im Körper betreffen. Bunge wurde so einer der Wegbereiter der Vitaminforschung. Mit seinen Arbeiten zur Alkoholfrage allerdings mag er sich manchen Ruf an berühmtere Universitäten verbaut haben; aber es lag ihm daran, die Ergebnisse seiner Forschungen im Leben anzuwenden.
Durch seinen Vortrag über die «Alkoholfrage» vom 16. November 1886 gab er den Anstoss zu Diskussionen über und Aktionen gegen den Alkoholkonsum unter Wissenschaftern und in der Öffentlichkeit. Als überzeugter Alkoholgegner und Abstinent wurde er Mitglied des Blauen Kreuzes, später des Guttemplerordens und war Mitbegründer des Alkoholgegnerbundes. Von 1892 an gab die Sektion Basel des AGB unter ihrem damaligen Namen «Ortsverein Basel des Internationalen Vereins zur Bekämpfung des Alkoholgenusses» die «Freiheit») als Monatszeitschrift heraus. Schon im ersten Jahrgang wurden zwei Vorträge Bunges abgedruckt: «Der Kampf gegen die Trinksitten und seine Bedeutung für den Arbeiterstand» und «Was sollen wir trinken?»
1890 wurde er Ehrenbürger von Basel. Am 8. November 1920 ist er auf dem Wolf-Gottesacker begraben worden. Sein Grab wird bis heute gepflegt.
("Die Freiheit", 7. November 1970, und Wikipedia)

Das geistige Vermächtnis von Gustav v. Bunge
Dissertation von Gerhard Schmidt, 1973
(Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis)

KAPITEL III: Das geistige Vermächtnis von Gustav v. Bunge
1) Zur Frage der Bedeutung der Mineralstoffe in der Ernährung
a) Kochsalz
b) Eisen
2) Das Zuckerproblem
3) Zur Milchforschung Bunges
4) Der Beitrag Bunges zur Alkoholfrage
5) Bunge als Wegbereiter der Vitaminforschung
KAPITEL IV: Bunges Persönlichkeit und Weltanschauung
1) Der Forscher
2) Der Sozialhygieniker
3) Der "Idealist"

Werke von G. Bunge

1. Ueber die Bedeutung des Kochsalzes und das Verhalten der Kalisalze im menschlichen Organismus, Dorpat, 1873
2. Die Zusammensetzung der Milch bei verschiedenen Säugetieren in Zeitschr. für Biologie, Bd. X, S.275,1874
3. Die Bildung der Hippursäure im Tierkörper (mit Schmiedeberg) in Archiv für experimentelle Pathologie u. Pharmakologie, Bd. VI, S. 233, 1876
4. Der Vegetarianismus, Berlin, 1885
5. Vitalismus und Mechanismus, Leipzig 1866, später unter Bezeichnung Idealismus und Mechanismus als "Erster Vortrag" des II. Bandes, in "Lehrbuch der Physiologie des Menschen, Leipzig, 1900
6. Die Alkoholfrage, Basel, 1886
7. Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie, Leipzig, 1887, von der 5. Aufl. an vereinigt mit dem Lehrbuch der Physiologie des Menschen, 11.Band, 1900
8. Assimilation des Eisens aus den Cerealien, in Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiolog. Chemie, Bd. 25, H.1+2, 1898
9. Die zunehmende Unfähigkeit der Frauen, ihre Kinder zu stillen, 1900
10. Lehrbuch der Physiologie des Menschen, in 2 Bänden, Leipzig, 1900
11. Wachstumsgeschwindigkeit und Lebensdauer der Säugetiere, Bonn, 1903
12. Alkohol und Degeneration, Leipzig, 1904
13. Der wachsende Zuckerkonsum und seine Gefahren, in Zeitschr. f. Biologie, Bd.41, S.155, 1901, und Bd.45, S.532, 1904
14. Lehrbuch der organischen Chemie für Mediziner, Leipzig, 1906
15.Die Ausrottung der Geschlechtskrankheiten, Leipzig, 1911
 

Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie.
In zwanzig Vorlesungen für Ärzte und Studierende

Autor: Gustav von Bunge
Verschiedenes: 1
Verlag: Vdm Verlag Dr. Müller
Erschienen am: 23.07.2007
Repr. d. Ausg. v. 1887
Einband: Broschiert
ISBN: 383642102X
EAN/ISBN-13: 9783836421027

 


Bunge, soziale Frage
"Zur Lösung der sozialen Frage"
(Ex Libris Eugen Blocher, 1929-52 Bundesrichter)

Der Leser dieser Arbeit wird sich fragen: Was veranlasst einen Physiologen, über ein wirtschaftliches Thema zu schreiben? Die Physiologie ist mir immer nur Mittel zum Zweck gewesen. Mein Zweck war stets, auf Gebiete der Hygiene etwas zu leisten. Die Hygiene, die Lehre von der Verhütung der Krankheit, ist angewandte Physiologie.

Mein Zweck war stets, etwas beizutragen zur Lösung der grossen hygienischen, sozialen Frage: wie verhütet man Krankheit und Armut? Eines lässt sich nicht verhüten ohne Verhütung des Anderen. Gesundheitliche Hygiene und Volkswirtschaft sind unzertrennlich. Die Verhütung der Armut ist die "Lösung der sozialen Frage"...

Die richtige Fragestellung sollte lauten: Welche Art der Produktion macht den meisten Menschen die meiste Freude? Und welche Art der Verteilung macht den meisten Menschen die meiste Freude? Die Freude ist das Ziel des Lebens...



   


Prof. Dr. Gustav von Bunge

1844 – 1920

Ansprache von Prof. Dr. Markus Mattmüller bei der Einweihung des neuen Grabmals von G. von Bunge, 20. August 1990, Wolf-Gottesacker in Basel

Denkmäler haben einen Sinn: Sie rufen uns Personen und Ereignisse in Erinnerung, die in einer bestimmten Situation wichtig gewesen sind und die etwas gestaltet haben, was in die Gegenwart hineinwirkt. Damit geben sie uns Impulse für unser heutiges Handeln.
Gustav von Bunge erinnert an einen Durchbruch: den Durchbruch einiger fortschrittlicher Frauen und Männer zur Hilfe an die vorher kaum beachteten Suchtopfer; die Alkoholfrage ist ja das Feld gewesen, auf dem die Gesellschaft das Problem der Süchtigkeit zuerst erkannt hat und auf dem durch einige Pioniere die ersten Gegenmassnahmen unternommen wurden. Der Kampf gegen später auftauchende Volksseuchen wie Tabak- und Drogenmissbrauch hat von den Erfahrungen der Alkoholismusprophylaxe profitieren können.
Alkoholmissbrauch war im 19.Jh. im wesentlichen auf ein Getränk bezogen: man redete von einer Schnapspest, und diese erlebte zwei massive Höhepunkte; einen ersten nach den liberalen Verfassungsänderungen der 1830er Jahre, welche die Errichtung von Gaststätten freigab, und eine zweite im neuen Bundesstaat, als das Alkoholangebot durch Eisenbahntransporte und Wegfall der kantonalen Zölle stark erhöht und verbilligt wurde; es entstand eine eigentliche Notlage breiter Volksschichten. die von Philanthropen, Schriftstellern (wie Gotthelf) und Behörden wahrgenommen und drastisch geschildert wurde.
Ein Bericht sagt: "Jede Ortschaft hatte ihre Schnapsbrennerei, grössere Dörfer vier bis fünf, in denen Kartoffeln und andere brennbare Stoffe zu Schnaps verarbeitet wurden. Im Amt Aarburg rechnete man auf 30 Einwohner einen Brennhafen". Und ein Pfarrer fügt bei: "Der Schnaps musste in der Haushaltung verbraucht werden, während die Milch nach aussen verkauft wurde. So bestand vielerorts das Frühstück aus schwarzem Kaffe und Schnaps. Schon kleinere Kinder wussten zu berichten, wie dieser beim Trinken im Hals brannte. Bei einem Schulfestchen erklärte uns schon nachmittags um zwei Uhr die Lehrerin: Mini Chind si alli voll."
Zu einem Zeitpunkt war das Mass voll: in einem Jahrzehnt geschahen um 1880 jene drei Durchbrüche, die den Kampf Alkoholismus in der Schweiz einleiteten: nämlich die Gründung des Blauen Kreuzes durch Louis Lucien Rochat (1877). 1885 nahmen die Räte und das Stimmvolk den Verfassungsartikel über das Alkoholmonopol an, den Bundesrat Carl Schenk, auf den übrigens auch das erste Fabrikgesetz zurückgeht, geschaffen hatte und der in der Folge den Schnapskonsum wesentlich einschränkte, und am 23. November 1886 hielt der neuberufene Physiologieprofessor Gustav von Bunge in der Aula an der Augustinergasse seine Antrittsvorlesung über die Alkoholfrage, die das Manifest der wissenschaftlichen Lehre über Alkoholwirkung und Alkoholmissbrauch geworden ist.
Bunge hat einige weitverbreitete Fehlmeinungen definitiv widerlegt: Alkohol ist nicht lebensnotwendig, er wärmt nicht, ernährt nicht, hilft nicht beim Verdauen, er schädigt sowohl die körperliche als auch die geistige Leistungsfähigkeit. Schon mit diesen Feststellungen schockierte der Redner die hochansehnliche Versammlung, weil er ein Tabu der akademischen Männerwelt verletzte. Doch nicht genug: Weil er die soziale Verantwortung der Universitätslehrer ernst nahm, drückte er sich nicht vor den praktischen Folgen seiner Erkenntnisse, sondern machte Vorschläge zur Eindämmung der Volkskrankheit: Aus einem halben Jahrhundert vergeblicher Versuche der Mässigkeitsvereine zog er die Folgerung, dass dem süchtigen Alkoholiker nur Totalabstinenz helfen kann, und er machte gleich auch noch die sozial verantwortungsbewussten Menschen darauf aufmerksam, dass sie durch das Beispiel der Abstinenz den Süchtigen mehr halfen als durch die diesen nicht mögliche Mässigkeit. "Die Mässigen sind die Verführer!" formulierte er provokativ, und machte so auf den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang der Sucht aufmerksam. Die Antrittsvorlesung machte offenbar starken Eindruck.
Carl Spitteler, nachmals berühmter Dichter und Nobelpreisträger, berichtet in einem Zeitungsreferat: "Herr Prof. Bunge hat letzten Dienstagabend in der Aula über die Alkoholfrage im weitesten kulturhistorischen Sinne dieses Wortes einen sehr anregenden Vortrag gehalten. Ich erinnere mich nicht, jemals eine schärfere, wirkungsvollere Philippika gegen den Alkohol gehört zu haben. Die wissenschaftliche Überlegenheit des Physiologen, seine nüchterne, scharfe Dialektik im Bunde mit der Wärme der Überzeugung, alles wirkte zusammen um die gebildeten Zuhörer ganz anders zu gewinnen, als dies eine gewöhnliche Temperenzlerrede je vermocht hätte. Beim Verlassen des Saales zeigten viele meiner Bekannten Spuren mehr oder minder tiefgehender Zerknirschung."
Es gibt wohl wenige der feierlichen akademischen Antrittsvorlesungen, die eine solche Wirkung erreichen; Bunges Rede, in einer immer wieder aufgelegten Broschüre verbreitet und in viele Sprachen übersetzt, wurde zum Startsignal der ärztlichen Antialkoholbewegung. Durch Bunge angeregt, sind mehrere Generationen von Ärzten, Pfarrern und Lehrern, ihrer Funktion als Trendsetter bewusst, ohne persönliche Notwendigkeit zur Abstinenz gekommen.
Mein Vater, der auch in Basel Medizin studiert hat, hat mir eindrücklich von der Wirkung auf die Studierenden berichtet. Ein Jahr später schloss sich der berühmte Psychiater Auguste Forel vom Burghölzli in Zürich dem Feldzug gegen den Alkohol an; er ist der Gründer der ersten Trinkerheilanstalt und der Anreger von nicht religiösen Abstinenzvereinen: Damit war die zuerst von den einfachen Leuten des Blauen Kreuzes erprobte Heilmethode der Totalabstinenz in die wissenschaftliche Medizin aufgenommen.
Der wissenschaftliche Kampf gegen den Alkoholismus hat also mit Bunge begonnen. Auf dem Grabstein, dessen Wiederherstellung wir heute mit Freude zur Kenntnis nehmen, steht die Sentenz: "Wir ernten beständig, was wir nicht gesät haben; wir sollen auch säen, was wir nicht ernten können." Das kennzeichnet die wegweisende Auffassung eines akademischen Lehrers, der seine Aufgabe nicht nur in der Weitergabe des überlieferten Kulturgutes sieht, sondern nötigenfalls auch eine Infragestellung der bisherigen Lehren wagt und die Konsequenzen daraus zieht.


Gerhart Hauptmann und "Die Alkoholfrage"

Gerhart Hauptmann (* 15. November 1862 in Obersalzbrunn in Niederschlesien; † 6. Juni 1946 in Agnetendorf, heute Ortsteil von Jelenia Góra) war ein deutscher Schriftsteller des Naturalismus. 1912 erhielt er den Literaturnobelpreis.

Ende der 1880er Jahre wurde Hauptmann mit der einsetzenden Sozialistenverfolgung ("Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie") konfrontiert. Er suchte 1888 Schutz in Zürich bei seinem älteren Bruder Carl. Dort begegnete er dem Psychiater Auguste Forel, dessen Kenntnisse über die menschliche Psyche Hauptmann fortan begleiteten.

Mit seinem 1889 uraufgeführten Drama "Vor Sonnenaufgang" sorgte er für einen der grössten Skandale der deutschen Theatergeschichte. Das bürgerliche Publikum war schockiert, weil in Hauptmanns Stück Sexualität und Alkoholismus freimütig dargestellt wurden. Biographischer Hintergrund von "Vor Sonnenaufgang" ist der Einfluss von Hauptmanns Freunden wie Alfred Ploetz und Ferdinand Simon, die beide Medizin studierten, so dass der Dramatiker selbst dem Alkohol abgeschworen hat und Abstinent geworden ist. Eine Quelle Hauptmanns war Gustav Bunges Schrift "Die Alkoholfrage" (Leipzig 1887), aus der er wörtlich eine Figur – Alfred Loth – zitieren lässt.

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Vor Sonnenaufgang

(Aus dem Drama von Gerhart Hauptmann, geschrieben 1889)

Helene. Ja, warum trinken Sie denn eigentlich nicht? Bitte, sagen Sie es doch.
Loth, zu Hoffmann. Damit du doch beruhigt bist: ich trinke heut schon deshalb nicht, weil ich mich ehrenwörtlich verpflichtet habe, geistige Getränke zu meiden.
Hoffmann. Mit andern Worten, du bist glücklich bis zum Mässigkeitsvereinshelden herabgesunken.
Loth. Ich bin völliger Abstinent.
Hoffmann. Und auf wie lange, wenn man fragen darf, machst du diese...
Loth. Auf Lebenszeit.
Hoffmann. Pf! gerechter Strohsack!! Offen gesagt, für so kindisch... verzeih das harte Wort.
Loth. Du kannst es gerne so benennen.
Hoffmann. Wie in aller Welt bist du nur darauf gekommen?
Helene. Für so etwas müssen Sie einen sehr gewichtigen Grund haben denke ich mir wenigstens.
Loth. Der existiert allerdings. Sie, Fräulein! und du, Hoffmann! wisst wahrscheinlich nicht, welche furchtbare Rolle der Alkohol in unserem modernen Leben spielt... Lies Bunge, wenn du dir einen Begriff davon machen willst. Mir ist noch gerade in Erinnerung, was ein gewisser Everett über die Bedeutung des Alkohols für die Vereinigten Staaten gesagt hat. Notabene, es bezieht sich auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Er meint also: der Alkohol hat direkt eine Summe von drei Milliarden und indirekt von sechshundert Millionen Dollar verschlungen. Er hat dreihunderttausend Menschen getötet, hunderttausend Kinder in die Armenhäuser geschickt. weitere Tausende in die Gefängnisse und Arbeitshäuser getrieben, er hat mindestens zweitausend Selbstmorde verursacht. Er hat den Verlust von mindestens zehn Millionen Dollar durch Brand und gewaltsame Zerstörung verursacht, er hat zwanzigtausend Witwen und schliesslich nicht weniger als eine Million Waisen geschaffen. Die Wirkung des Alkohols, das ist das Schlimmste, äussert sich sozusagen bis ins dritte und vierte Glied. Hätte ich nun das ehrenwörtliche Versprechen abgelegt, nicht zu heiraten, dann könnte ich schon eher trinken, so aber... meine Vorfahren sind alle gesunde, kernige und, wie ich weiss, äusserst mässige Menschen gewesen. Jede Bewegung, die ich mache, jede Strapaze, die ich überstehe. jeder Atemzug gleichsam führt mir zu Gemüt, was ich ihnen verdanke. Und dies, siehst du, ist der Punkt.
ich bin absolut fest entschlossen, die Erbschaft, die ich gemacht habe, ganz ungeschmälert auf meine Nachkommen zu bringen.

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Das Abenteuer meiner Jugend
(Aus den Lebenserinnerungen von G. Hauptmann)

"Der Grundzug unseres damaligen Wesens und Lebens war Gläubigkeit. So glaubten wir an den unaufhaltsamen Fortschritt der Menschheit... Die Jugend hoffte auf vielschichtige soziale Reformen, wobei die Alkoholreform bereits begonnen hatte und erste Früchte zeigte. Man war begeistert von den Erkenntnissen der Wissenschaft, besonders der Naturwissenschaften und der Medizin, sowie von den Errungenschaften der Technik...Nicht nur wir, die ganze Epoche Ende der achtziger Jahre des vorigen Säkulums atmete Gläubigkeit."

Erinnerungen an Bunge

Wenn ein junges Mädchen vor 50 Jahren einer Berühmtheit begegnete, so hatte es vor lauter Respekt und Bewunderung Herzklopfen zu bekommen oder ein Zittern in den Knien zu verspüren. Als junges Ding von kaum 19 Jahren machte auch ich darin keine Ausnahme; als ich dem weltbekannten Prof. Bunge vorgestellt werden sollte, pochte mein Herz heftiger als mein Finger an der Tür seiner Studierstube, die sich im Mansardenstock des Lehrgebäudes für Anatomie und Physik der Universität Basel befand. Zu meiner Enttäuschung, wie ich heute noch gestehen muss, sah ich mich beim Eintritt einem älteren, eher kleinen Herrn mit hängendem Schnurrbart gegenüber, was nicht ganz dem Bild entsprach, das ich mir von ihm gemacht hatte.

Von mir wusste der Gelehrte ausser meinem Namen nur, dass ich die Braut eines seiner eifrigsten Schüler war, der später zum sogenannten Bungekreis gehörte, der die Gleichgesinnten wie ein Freundschaftsband umschloss. Es muss den alten Herrn befremdet haben, dass einer seiner glühendsten Anhänger seine Braut nicht aus den Reihen der militanten Abstinenten geholt hatte, was ihn allsogleich veranlasste, mir seine in 15 Sprachen übersetzte, in Millionen von Exemplaren verbreitete «Alkoholfrage» in die Hand zu drücken mit dem ernsten Hinweis auf die Notwendigkeit der Bekämpfung des Alkoholismus. Seine Worte fielen, wie mir einige Leser dieser Zeitschrift sicher bestätigen dürften, nicht auf steinigen Boden. Ich bin heute noch von dieser Notwendigkeit überzeugt und finde die Lektüre seiner «Alkoholfrage» noch ebenso aktuell und in ihrer logischen Konsequenz so zwingend wie vor 50 Jahren.

Keineswegs abwegig ist es auch, Bunges Überlegungen anzuwenden in bezug auf die zunehmende Drogensüchtigkeit der heranwachsenden Jugend. Wir können Bunges Stellungnahme erahnen, hat er doch schon dem Alkoholismus gegenüber neben der Aufklärung strengste gesetzliche Massnahmen verlangt zum Schutze des Menschen vor dem Menschen. «Hat der Staat das Recht, Verbrechen zu strafen, sogar mit dem Tod zu strafen so hat er auch das Recht, Verbrechen zu verhüten.»

Und die Forderung Bunges, wie er sie in seiner «Alkoholfrage» stellte, lässt sich auch in bezug auf die Rauschgifte anwenden. die eine Gefahr für viele Jugendliche bilden. Eine Forderung, die wir heute besonders dringlich an unsere Behörden stellen: «Eine gute Regierung soll eben unermüdlich und ununterbrochen im Kampfe liegen mit allen Torheiten und Schwächen der Massen.»
E. F. Graeter (1970)


Bratanov

Bunge und Bulgarien

In Bulgarien hat sich in den letzten Jahren eine aktive Abstinenzbewegung entwickelt, die sich mit 100'000 erwachsenen Mitgliedern der Internationalen Organisation der Guttempler als «zugewandter Ort» angeschlossen hat. Von Bedeutung ist ihre Tätigkeit in den Schulen, wo sie Tausende von Gruppen abstinenter Jugendlicher unterhält. In einem südlichen Land mit einer grossen Produktion von Früchten verspricht die Herstellung alkoholfreier Getränke, wie sie das «Nationalkomitee» angeregt hat, grosse Erfolge. Der Vorsitzende der bulgarischen Abstinenten, Dimiter Z. Bratanov, berichtet, wie das Erbe Bunges in einem Lande mit anderer Kultur und anderer Gesellschaftsordnung weiterlebt.

"Als Wissenschafter, der konsequent gegen den Alkoholismus kämpfte, übte Bunge gleich Forel auf die Entwicklung der bulgarischen Abstinenzbewegung einen ausserordentlich grossen Einfluss aus. Seine bemerkenswerten Berichte und Reden über die Themen «Die Alkoholfrage», «Quellen der Entartung», «Der Alkohol und die Arbeiter» u.a., wurden in Bulgarien unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg herausgegeben, als die Abstinenzbewegung in Bulgarien ihre Tätigkeit begann.
Der Humanismus Bunges, sein Beispiel eines Gelehrten mit mutigem Geist im Kampf gegen den Alkoholismus und andere sozialen Übel begeisterte uns Jahre hindurch. Schon 1920 erschienen in der Zeitschrift des Neutralen Schülerabstinenzvereins «Tresvenost» (Enthaltsamkeit) und «Borba» (Kampf) Artikel über die wissenschaftlichen Schlussfolgerungen Bunges im Kampf gegen den Alkoholismus.
Eine der ersten Gesellschaften des Neutralen Schülerabstinenzvereins in Stara Sagora trug den Namen «Gustav von Bunge». Ich erinnere mich als Vorsitzender dieser Gesellschaft, mit welcher Begeisterung wir uns auf seine wissenschaftlichen Untersuchungen beriefen, dass der Alkohol keine Kraft verleiht, dass der Alkohol die Gehirnfunktionen beeinträchtigt und deshalb die geistige Arbeit behindert. Das Beispiel des kühnen Wissenschafters und Kämpfers entfachte das Feuer der Begeisterung bei Tausenden von Schülern, Lehrern, Jugendlichen und Arbeitern im Kampf gegen den Alkoholismus.
Die Abstinenzbewegung in Bulgarien setzt auch heute noch das wissenschaftliche Vermächtnis von Bunge und seine Unversöhnlichkeit im Kampf gegen den Alkoholismus und die sozialen Übel fort."
Botschafter D. Z. Bratanov (1970)

Bunge



Gustav von Bunges Grabmal

bunge(Pressemitteilung)
Auch Grabmäler können als Kulturgut schützenswert sein. Darum beschloss das Sanitätsdepartement auf Antrag der Grabmalkommission, den vom Zerfall bedrohten Grabstein des vor 70 Jahren verstorbenen Ernährungswissenschafters Gustav von Bunge auf dem Wolfgottesacker wiederherzustellen.

Der aus Estland stammende Gelehrte engagierte sich damals in Basel für die Alkohofrage. Prof. Dr. Markus Mattmüller stellte anlässlich einer kleinen Feier auf dem Wolfgottesacker von Bunges Wirken in geschichtliche Zusammenhänge. Die Freigabe des Betriebs von Gaststätten auf Grund der liberalen Verfassungsänderungen und der Wegfall der kantonalen Zölle im neuen Bundesstaat führten zusammen mit den preisgünstigeren Eisenbahntransporten zu einer starken Verbilligung des Schnapses, die eine eigentliche Schnapspest zur Folge hatte. Weite Bevölkerungskreise gerieten dadurch in eine bedrückende Notlage. Mattmüller berichtet über drei Durchbrüche um 1880: nämlich die Gründung des Blauen Kreuzes, die Verankerung des Alkoholmonopols in der Bundesverfassung und die Antrittsvorlesung des neuberufenen Physiologieprofessors Gustav von Bunge über die Alkoholfrage, die zum "Manifest der wissenschaftlichen Lehre über Alkoholwirkung und Alkoholmissbrauch" wurde.
Nach Mattmüller gibt es nur wenige Antrittsvorlesungen, die eine Wirkung wie Bunges Rede erzielten. Sie wurde immer wieder neu aufgelegt, in zahlreiche Sprachen übersetzt, ja sogar zum Startsignal der ärztlichen Antialkoholbewegung. Mit seinen auf physiologischen Erkenntnissen basierenden Äusserungen zum Alkoholkonsum verletzte Bunge "ein Tabu der akademischen Männerwelt" und schockierte damit die akademische Versammlung.
Bei der Einweihung des neuen Grabmals überbrachte lic. iur. Urs Hoechle die Grüsse von Regierungsrat Dr. Remo Gisin und wies in seiner kurzen Ansprache auch auf den von-Bunge-Brunnen beim Frauenspital und die von-Bunge-Strasse an der Burgfeldergrenze hin. Auch diese beiden Denkmäler helfen, so Hoechle, die Gedanken des Vordenkers und Philosophen der Abstinenzbewegung weiterzutragen. Hoechle hofft, dass in Bunges Sinne auch die Zwillingsinitiativen, die eine Verminderung der Alkohol und Tabakprobleme zum Ziel haben, Erfolg haben werden.
Marion Breisinger, welche als Bildhauer Meisterin die Kopie des Grabmals anfertigte, berichtet über ihre Recherchen, die ergaben, dass der fast 2 Tonnen schwere Stein ursprünglich eine Grabplatte war und erst später aufgerichtet wurde.
Zu der Feier eingeladen hatte der Basler Abstinentenverband, dessen Präsident Paul Roser den Behörden für die Restaurierung dankte. Von Bunge war sich der langfristigen Tätigkeit in der Gesundheitsvorsorge und insbesondere in der Suchtprävention bewusst. Sein Leitgedanke wurde zur Grabinschrift: "Wir ernten beständig, was wir nicht gesät haben. Wir sollen auch säen, was wir nicht ernten werden."
Fritz Ganser

Man wird einwenden, Alkohol und Tabak seien nicht die einzigen Ursachen der Krankheit. Gewiss! Aber es sind diejenigen Ursachen, die wir klar erkannt haben und die wir sogleich beseitigen können. Jeder mache mit sich selbst den Anfang!
Gustav von Bunge


Der Bunge-Brunnen

Der Bunge-Brunnen stand ursprünglich in einer Anlage am südlichen Ende des Steinegrabens, musste dann aber dem Heuwaage-Viadukt weichen. Heute steht der Brunnen in der Wilhelm His-Anlage. Die Arbeit von Georg Römer aus dem Jahre 1914 zeigt eine junge Mutter, welche einem Säugling ihre Brust und einem grösseren Kind eine Traube reicht.
Gustav von Bunge (1844 – 1920) war ein Arzt, studierte in Leipzig und war seit 1886 Professor der physiologischen Medizin an der Universität Basel. Er verfasste Lehrbücher über die pathologische und physiologische Chemie, über die Physiologie des Menschen und über die organische Chemie. Er wurde durch sein soziales Engagement ein Begründer der Abstinenzbewegung. Seine Antrittsvorlesung an der Basler Universität hielt er nicht über ein spezielles medizinisches Fachproblem, sondern über den Alkoholismus.
In diesem Zusammenhang entbehrt der jetzige Standort des Bunge-Brunnens in der Nähe des Gassenzimmers bei der Spitalapotheke nicht einer gewissen Ironie
(Bilder des Brunnens: http://www.rauschenbach.ch/basileae/allegorien/allegorien.htm und
http://www.brunnenfuehrer.ch/brunnen/bunge.htm


Bunge und der Spinat

"Vor über 100 Jahren ermittelte der Schweizer Physiologe Gustav von Bunge, den genauen Eisengehalt des Spinates: 100 Gramm enthalten demnach 42 Milligramm (oder 35 Milligramm) des Minerals. Ernährungsforscher erkoren daraufhin Spinat zum Eisenlieferanten Nummer eins. Doch als andere die Ergebnisse später abschrieben, übersahen sie, dass Bunge nicht mit frischem, sondern mit getrocknetem Spinat gearbeitet hatte. 100 Gramm des verwendeten Spinatpulvers entsprachen somit einem ganzen Kilogramm Frisch-Spinat. Der tatsächliche Eisengehalt von Spinat ist daher kaum höher als beispielsweise der, man höre und staune, von Schokolade. Tatsächlich beträgt der Eisengehalt einer 100-Gramm-Portion nur 3,5 Milligramm. Selbst Schokolade (6,7 mg) liefert mehr Eisen als Spinat.
Bei einer Messung ermittelte der Schweizer Physiologe Gustav von Bunge Ende des 19. Jahrhunderts einen Eisengehalt von 35 Milligramm pro 100 Gramm Spinat. Sie ignorierten den Fakt, dass von Bunge mit getrocknetem Spinat arbeitete. Das Grünzeug besteht im Urzustand allerdings zu 90 Prozent aus Wasser. Tatsächlich beträgt der Eisengehalt einer 100-Gramm-Portion nur 3,5 Milligramm. Selbst Schokolade (6,7 mg) liefert mehr Eisen als Spinat.
(Bunge gehörte zu den Pionieren der Vitamin- oder Vitalstofforschung. Einig über die Zahlen sind sich die Ernährungsratgeber im Internet allerdings auch nicht...)


Gustav von Bunge - Lebensbild, Schulfunksendung (1963)

1885: Auszug zu "Abstinenz" aus dem Vortrag "Der Vegetarianismus" von G. v. Bunge

1886: Die Alkoholfrage, Vortrag von Gustav von Bunge
Carl Spitteler zum Vortrag von G. von Bunge

Wikipedia zu Gustav von Bunge

Der andere Pionier der Antialkohol- und Abstinenzbewegung:
August Forel: Arzt, Naturforscher, Sozialreformer, 1848 - 1931
Zurück:
Beiträge zur Alkohol-Geschichte der Schweiz (Einleitung, Index)
Volksabstimmungen zur Alkoholpolitik: Sechs alkoholpolitische Kraftakte
Geschichte des Beirates von SAS - SFA/ISPA 1913-1982
Direktoren von Zentralstelle und Fachstelle von 1901 bis 2003  
Schweizerischer Rat für Alkoholprobleme
1995: Wirt ist ein ganz spezieller Beruf

1987: Alkoholpolitik zwischen Wirtschaft und Gesundheit
Hier:

Prof. Dr. Gustav von Bunge

Weiter:
1886: "Die Alkoholfrage" , Vortrag von Prof. Dr. Gustav von Bunge
1885: Auszug zu "Abstinenz" aus dem Vortrag "Der Vegetarianismus" von G. v. Bunge
Die Alkoholartikel der Bundesverfassung von 1885
Die Alkoholartikel in der Bundesverfassung Ende 1999
Die Alkoholartikel in der Bundesverfassung 2000  
Prohibition – kein aktuelles Thema
Ausserdem:
Chroniken zur schweizerischen Alkoholpolitik    
Hier finden Sie das Kapitel "Alkoholpolitik" mit Links und Hinweisen zu anderen Seiten.

Hier finden Sie das Kapitel "Abstinenz" mit Links und Hinweisen zu anderen Seiten.


http://www.edimuster.ch/: Hier ist die Familie Muster in Ecublens VD - Eduard Muster: emuster@hotmail.com 22/11/07