«Madame, un bock?... »
Wenn wir ausnahmsweise den Titel
französisch fassen, so weil auch Herr Hans Wegmann vom Schweiz. Bierbrauerverein,
Zürich, seinen Vortrag über moderne Kollektivbierreklame am 11.
Internationales Bierbrauerkongress von 1949 in Luzern auf französisch
gehalten hat.
Es war ein überaus interessanter Vortrag. Die Bierbrauer sind ja auserlesene
Meister nicht nur der Technik der Fabrikation des Bieres. sondern auch noch
derjenigen der Reklame für ihre Produkte. Wir übersetzen nachstehend
den Hauptteil der Ausführungen von Herrn Hans Wegmann über das
besagte Thema aus der «Schweizer Brauerei-Rundschau»:
«•
Ein sehr strikter Vertrag zieht seit etwa 15 Jahren der Reklame der einzelnen
Brauereien enge Grenzen. Angesichts der besonderen Absatzverhältnisse,
die wir zustande brachten (gemeint ist die Tatsache, dass die Brauereien
die sog. «freien» Schweizerwirtschaften unter sich aufgeteilt
und des Rechtes beraubt haben, ihre Bierlieferanten selber zu wählen.
Red.), wäre es völlig überflüssig, sich gegenseitig
mit Hilfe der Reklame erbitterte Konkurrenzkämpfe zu liefern. So
wurde Schluss gemacht mit Slogans, wie «Das Bier X ist das beste»
oder «Trinkt die Marke Z, die Königin der Biere». Übertreibungen,
die heute abgenützt sind, weil man zu viel Missbrauch damit getrieben
hat. Die Zeiten liegen glücklicherweise hinter uns, da man noch durch
Monstreplakate, kostspielige Inserate usw. seinen Konkurrenten und teuern
Kollegen zu überbieten und zu erdrücken suchte.
• Dafür sind nun alle unsere Bemühungen darauf gerichtet,
das Biertrinken als solches zu Propagieren. Durch die Konzentration unserer
Kräfte ist uns eine Kollektivreklame ermöglicht worden, welche
Beachtung findet, allen Brauereien zugute kommt und dazu unvergleichlich
weniger kostet als die frühere, notwendigerweise verzettelte Reklame
der einzelnen Brauereien.
• Obwohl das Bier auf dem schweizerischen Getränkemarkt eine
wichtige Rolle spielt, ist es doch nicht unser einziges Nationalgetränk.
Wein und Most - Erzeugnisse unseres Bodens - weisen ebenfalls einen grossen
Konsum auf und erfreuen sich ausserdem des gewaltigen Vorteils, dass sie
den Schutz des Staates geniessen, dem ihre Überschüsse und ihr
Absatz oft schier unlösbare Probleme stellen. Daher müssen die
Brauereien alle geeigneten Mittel anwenden, um sich die Gunst des Publikums
zu erhalten.
• Wir sagen dem Konsumenten, das Bier sei gesund, man trinke es
seit Jahrtausenden . . . oder auch einfach, es sei gut. Während der
letztvergangenen Jahre, als es uns ermöglicht wurde, den Stammwürzegehalt
des Bieres zu erhöhen, sagten wir dem Konsumenten, das Bier sei wieder
stärker eingebraut...
• Vis-à-vis der Presse hat die Kollektivreklame den grossen
Vorteil, dass die «konzentrierten» Reklameaufträge -
wenn ich so sagen darf - die wir des Zeitungen erteilen können, für
diese von Gewicht sind. Das verschafft uns die Möglichkeit, von Zeit
zu Zeit Artikel oder Communiqués in den Zeitungen zu veröffentlichen.
• In diesen letzten Jahren haben uns zwei hauptsächlich unserem
Lande eigentümliche Tatsachen sehr beschäftigt.
• Sprechen wir vorerst von den Damen nach dem Spruche: A tout seigneur
tout honneur! In der Schweiz trinkt die Frau nur wenig Bier. Ist es die
Sorge um die «schlanke Linie», die daran schuld ist... oder
- ausserhalb der Arbeiterklasse - die Idee, Bier sei nicht «ladylike»,
was sie vom Biertrinken abhält? Wir wissen es nicht. Jedenfalls bemühen
wir uns aber in unserer Reklame, die Frau zu beeinflussen... und besonders
die Frau von einem etwas höheren Niveau, um sie so ganz sachte zu
unserem Produkt hinzuführen. Das hat zweifellos seine Wichtigkeit,
denn gewöhnlich ist es die Frau. die über das Haushaltungsbudget
verfügt. Wenn sie dem Bier ungünstig gesinnt ist, so wird sie
leicht dazu neigen, auch den Mann von einer nicht notwendigen Geldausgabe
abzuhalten.
• Eine andere Eigenart unseres Landes besteht darin, dass in des
als elegant geltenden Gaststätten, z. B. im Restaurant des «Grand
Hôtel», der Biergenuss nicht als schick betrachtet wird. Dort,
wo der Franzose, Engländer, Belgier oder Amerikaner ohne Zögern
Bier bestellt, weil es ihn darnach gelüstet, glaubt man sich in der
Schweiz verpflichtet, Wein zu bestellen.
• Um diese Ideen zu bekämpfen, haben wir beschlossen, in unseren
Propagandafilmen einerseits die junge, schlanke Frau vorzuführen,
die Bier trinkt, sowie die elegante Gaststätte, wo unser Produkt
konsumiert wird.»
Zumteil gehen diese Reklameziele der schweizerischen Bierbrauer auf angelsächsische
Vorbilder zurück.
Reklame-Motiv des
Schweiz. Bierbrauervereins
Herr Wegmann teilte dann des weiteren mit, dass das Lied, welches das
Leitmotiv eines der Propagandafilme des Schweiz. Bierbrauervereins bildet
«Blond oder braun, eine mitreissende Polka» auf Schallplatten
übertragen worden sei und dass der genannte Verein die Noten dazu
an sämtliche Orchester der Schweiz verteilen liess... Wer würde,
ohne diese Feststellungen von Herrn Wegmann zu kennen, auf den Gedanken
gekommen sein, dass zwischen der leichtbeschwingten Muse der Musik und
dem Hektoliterfonds des Schweiz. Bierbrauervereins so materielle Zusammenhänge
bestünden!
Es dürfte nach allem, was man heute weiss, kaum zu viel behauptet
sein, wenn man sagte, dass die Bierbrauerpropaganda die m besten orchestrierte
der Schweiz ist. Nachdem das Thema der jungen Frau, die Bier trinkt...
des jungen Pärchens, das Bier trinkt, ... schon in des letzten Jahren
in der Bierpropaganda angetönt wurde, brachten
zu Weihnachten 1949
so todernste Tageszeitungen wie «Der Bund» oder die «Neue
Zürcher Zeitung» ausser dem gewohnt frommen Leitartikel auf
der ersten Seite im hinteren Teil des redaktionellen Texte gar eigentümliche
Lobartikel auf den Bock, Symbol der Fruchtbarkeit und Zeugung, zu dessen
Ehren die alten Germanen ... Bier getrunken hätten, zarte Winke für
die heutige Christenheil, den alten Germanen nachzueifern. (Wie man erfuhr,
war das Weihnachtsbockbiergeschäft für unsere Brauereien ein
fettes Geschäft, was beweist, dass der Bock noch heute ein zugkräftiges
Symbol ist!)
Dass dabei auch die Frauenwelt, die immerhin die Hälfte des menschlichen
Geschlechtes und damit der möglichen Bierkonsumentenschaft ausmacht,
nicht vergessen worden war, ergab sich aus der besagten Bockbierweihnachtsliteratur;
so schrieb die «Neue Zürcher Zeitung», dass die Frauen
des königlichen Palastes zu Babylon 3 Liter Bier als tägliche
Ration erhielten, und der Bockbiermitarbeiter der Zeitung fügte bedeutungsvoll
hinzu: «Solche Quantitäten scheinen jahrtausendelang ungefähr
gleich geblieben zu sein» (!) ... Man stelle sich die Rendite der
Aktienbrauereien vor, wenn unsere Schweizerfrauen auch eine tägliche
Ration von 3 Liter Bier forderten! (Die Erklärung der schier unbegreiflichen
Tatsache, dass angesehene Tageszeitungen solchen Quatsch veröffentlichen,
ist im Vortrag von Herrn Wegmann selbst enthalten.)
Auf Pfingsten 1950 hin
hat dann der Bierbrauerverein in der ganzen Schweiz massenweise ein Plakat
anschlagen lassen, das eine junge, schicke Dame andeutet Idealbild der
heranwachsenden helvetischen Weiblichkeit, die mit zarter, gepflegter
Hand (Fingernägel nach der neuesten Mode lackiert) einen Becher Bier
umfasst, um ihn den rot geschminkten Lippen zuzuführen eine wahre
neuhelvetische Gertrud. wie sie die Bierbrauer wohl schon en masse vor
sich sehen!
Nachdem ein Vertreter des Schweiz. Bierbrauervereins selbst öffentlich
festgestellt hat, dass die Kollektivreklameaufträge dem Verein die
Möglichkeit verschaffen, periodisch
Artikel im Textteil
zu veröffentlichen weil eben die genannten Aufträge für
die Zeitungen von Gewicht seien , wird eine bekannt freie Schweizerpresse
wohl nicht mehr diesen Zusammenhang zwischen Reklame- und Textteil in
Abrede stellen wollen! Wie dieser Zusammenhang mit dem Verbot der Reklame
im redaktionellen Teil zu vereinbaren ist, hat der Schweiz. Zeitungsverlegerverein
bisher nicht erklärt. Aus ähnlichen Beweggründen heraus
erklärt sich zweifellos das auffallende Stillschweigen, das die Tagespresse
bis auf wenige Ausnahmen angesichts der skandalösen Steuerentlastung
beim Bier geübt hat, und vielleicht haben Rücksichten auf die
Parteipresse wiederum zu dem nicht weniger auffallenden Stillschweigen
beigetragen, welches von den drei Grossparteien des Eidg. Parlamentes
in der gleichen Affäre beobachtet worden ist. Die Parteijournalisten
spielen ja innerhalb der Parteileitung eine ausschlaggebende Rolle. -
Nebenbei sei erwähnt, dass am Luzerner Bierbrauerkongress
ein politisch Totgesagter
wieder recht lebhaft mitmachte: Herr alt Nationalrat Dr. jur. L. F. Meyer,
weiland ein allereinflussreichster Obereidgenosse, vor dem sich Bundesratstüren
schon zu öffnen pflegten, bevor er nur angeklopft halte, ... wenigstens
bis er dann es brauchte viel dazu! von seiner eigenen Partei ersucht werden
musste, von der politischen Schaubühne abzutreten. In seiner Ansprache
rühmte sich Herr Dr. L. F. Meyer eines Verdienstes, dessen er sich
wohl in keiner seiner pathetisch patriotischen Reden je gerühmt hatte,
nämlich dass er seit über 40 Jahren mit der Bierbrauerei aufs
engste verhängt sei... Er bestätigte damit, was wir hier früher
dutzendmale festgestellt hatten. Fügen wir bei, dass das genannte
Verdienst zweifellos auch von einem klingenden Verdienst begleitet war!
Nachdem hier ein Mann das Wort führte, der die Bierbrauerei unseres
Landes seit über 40 Jahren aufs innigste kennt, wollen wir daraus
doch folgende Feststellung anführen ... zur Beruhigung des eidgenössischen
Finanzdirektors, der im Parlament so oft von der «Not im Brauereigewerbe»
mit einem Mitgefühl gesprochen hat, das nach unserem Empfinden bei
anderen, wirklichen Nöten besser angewandt gewesen wäre. Dr.
F. L. Meyer erklärte wörtlich (d. h. auch er sprach französisch):
«Man darf sagen, dass das schweizerische Brauereigewerbe gesund
ist: wenn Fiskus und Staat sich nicht zu sehr in seine Angelegenheiten
einmischen, kann seine Zukunft als gesichert betrachtet werden.»
Die Kollektivbierreklame wird bezahlt aus dem sog. Hektoliterfonds
des Schweiz. Bierbrauervereins. Dieser Fonds wird von den einzelnen Brauereien
im Verhältnis zu ihrer Produktion gespiesen. Ob sich die Verwendung
des Hektoliterfonds in der Bezahlung der Bierreklame erschöpft und
welche Ausdehnung diesem Begriff gegeben wird, entzieht sich natürlich
unserer Kenntnis. Darüber sagt man nicht einmal an Brauereikongressen
etwas.
Solche Fonds der genannte dürfte auch in der schweizerischen Industrie
nicht einzig dastehen erscheinen uns in einer Demokratie als etwas recht
Gefährliches. Der Einfluss des Hektoliterfonds auf die Presse z.
B. bedarf wohl keiner Erörterung mehr. In angelsächsischen Ländern
sind aber auch schon Fälle genannt worden, wo solche Fonds z. B.
zur Beeinflussung von Wahlen und Ernennungen benützt wurden natürlich
nicht im Interesse des Allgemeinwohles, sondern eben im Dienste gewisser
Sonderinteressen
Ob nicht auch der sehr massive jährliche Beitrag des Schweiz. Bierbrauervereins
an die Direktion des Schweiz. Wirtevereins aus dem «Hektoliterfonds»
stammt?
(Josef Odermatt in "Die
Freiheit" - Blätter zur Bekämpfung des Alkoholgenusses
- Für Aufklärung und praktische Arbeit, herausgegeben von der
Schweizerischen Zentralstelle zur Bekämpfung des Alkoholismus, Lausanne.
- Gemeinsame Zeitschrift des Alkoholgegnerbundes, der Vereine abstinenter
Lehrer, Frauen, Eisenbahner, der "Abstinentia" u. a. m., 24.
Juni 1950)
Bier
wirklich seit Jahrtausenden
Anmerkung 2005: Das
Bierkartell existiert nicht mehr. Die Kollektivwerbung ist inzwischen eingestellt
worden. Dem Brauerei-Verband gehören 20 schweizerische Brauerei-Unternehmen
mit einem Mindestausstoss von 3000 hl an. (Die Zahl der Klein- und Kleinstbrauereien
hat in den letzten sprunghaft zugenommen.) Biermischgetränke versuchen,
die Lücke der Alkopops (Alcopops) zu füllen. Eine Zunahme des
Konsums von Billigbieren ist zu erwarten ("Aldisierung").
Interessant sind die ALKOHOLPOLITISCHEN
GRUNDLAGEN der Brauer von 1996. " Für das Funktionieren des
sozialen Lebens ist der mündige Bürger, der sein Leben in eigener
Verantwortung gestaltet, Voraussetzung." |