Licht in Trustbezirke
König Alkohol
(Gottlieb Duttweiler)


Ein heiterer, ein finsterer und vor allem ein mächtiger König! Es gibt ja Leute, die behaupten, es sei in der Hölle kurzweiliger als im Himmel. Im Reiche des Königs Alkohol ist es kurzweilig lustig mit einem düsteren Hintergrund. Nicht nur über den einzelnen Menschen hat der Teufel Alkohol seine Macht und hält ihn in den Krallen, sondern auch im Staate ist er mächtig, mit den Krallen und mit den Zückerchen.

König Alkohol regiert auch in der Schweiz.

Die Bierbrauer hatten während des Krieges und haben nach dem Krieg ihre bestimmte Preis und Absatzpolitik. Nach dieser hat sich der Staat zu richten. Die Bierbrauer haben den Willen, dass Bier in der Wirtschaft billiger verkauft werde als irgend ein anderes Getränk, und nach dem haben sich die Wirte, aber auch der Fiskus, zu richten.

Der Dreideziliter Becher Bier kostete 1938 25 Rappen. Heute kostet er bei nahezu dem selben Gehalt 30 Rappen. Bier hat also nur 20% aufgeschlagen, Wein dagegen nach der Einfuhrstatistik etwa 250%, Süssmost nach der Statistik etwa 45%. Dagegen Bier nur 20%. Dabei ist das Brauermalz von Fr. 30,6 im Jahre 1939 auf Fr. 103,2 per 100 Kilo im Jahre 1946 gestiegen, also dreimal höherer Einstandspreis des hauptsächlichsten Rohmaterials, sogar etwas mehr als .der Wein, aber. . der Bierpreis von 30 Rappen der Becher bleibt

Wie sind solche "Wohltaten" möglich? Weil die Bierbrauer ihre Rechnung beim heutigen Preis angeblich nicht mehr finden, muss der Staat eben den Rest draufzahlen - und das tut er auch. Die Fiskalbelastung des Bieres von 12 Franken der hl wurde 1944, als der Bierumsatz zurückging und die Brauer die Rechnung beim Preis von 30 Rp. der Becher nicht mehr fanden, durch den Staat auf die Hälfte, auf 6 Rp. pro Liter herabgesetzt. Es ist ja herzig, dass der König Alkohol sich rühmen kann, dass die Schweiz. Eidgenossenschaft die Herabsetzung der Biersteuer von 12 auf 6 Fr. auf Grund der Vollmachten «zum Schutze des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität» beschlossen hat, Trotz allen Protesten gegen diese Subventionierung des Bieres durch den Staat bleibt eben diese Subvention. So nimmt der Staat pro 1947 durch die Biersteuersenkung voraussichtlich 11 Millionen Fr. weniger ein. Das nennen wir eine Subvention! Dabei ist der Bierausstoss von 1943/44 auf 1945/46 von 873'000 hl auf 1'186'000 hl, also um 36% gestiegen. Gleichzeitig ist der Malzpreis von 1944 auf 1947 von Fr. 119.10 auf Fr. 92.50 per 100 kg, also um 22% gefallen. Und trotzdem bleibt die Subvention von 11 Millionen Franken durch die Biersteuer- Senkung. König Alkohol befiehlt! Nicht nur die interessierten Bierbrauer, sondern auch die Brauerei-Arbeiter-Gewerkschaften stehen ihm zur Verfügung. Der Staat hat seine Steuern zu senken, weil die Dividenden des Brauertrusts im Jahre 1946 «nur» 4,32% betrugen.

An Ausreden für diese staatlich unterstützte Monopolpolitik fehlt es nicht! Da heisst es, wenn der Becher von 30 auf 35 Rappen aufschlage, gehe der Bierkonsum zurück. Würde der Preis allein ausschlaggebend sein, wie wäre dann die Weineinfuhr 1938 von 946'000 hl auf 194 1 272'000 hl gestiegen; bei, einer Steigerung des Einstandspreises um rund 250%. Wieso ist der Süssmostkonsum bei einer Preissteigerung von rund 45% von 1938 auf 1945 470'000 hl gestiegen? Den höheren Preisen entsprechen eben heute höhere Einkommen. Es ist also eine Irreführung der Behörden, wenn der Brauertrust behauptet, dass ein Preisaufschlag von 30 auf 35 Rappen der Becher eine Verminderung des Umsatzes und damit des Ertrages der Biersteuer bringen müsste! Nein, nein, die Wahrheit ist: der König Alkohol regiert.

Wer's nicht glaubt, der lese: Die Subvention auf Milch und Milchprodukte ist stark reduziert. Auch die Subventionen auf Brot trachtet man durch die Einführung des teuren Halbweissbrotes zu reduzieren. Auf Kohle führte man soeben mit Vollmachtenbeschluss, gegen alle Versprechungen, einen Zollzuschlag von Fr. 5.- pro Tonne, auf Heizöl von Fr. 6.50 pro Tonne ein. Also das begreifliche Bestreben, den Staat von Subventionen zu entlasten und das unbegreifliche, die Kohlen- und Heizölverbraucher zu belasten; aber gleichzeitig wird die unglaubliche Konzession an den König Alkohol weiter bestehen gelassen, die Subvention von 11 Millionen Franken, trotz mächtiger Zunahme des Bierausstosses 1947, trotz mächtiger Preissenkung des Rohstoffes, aufrechterhalten. Einmal mehr stellen wir fest, dass Truste und Monopole mächtiger sind als der Staat.

Was nützt es da, den Nachweis zu führen, dass der Gefährdete von heute - dank dem
:Bier - die Süssmosterei ist? Der Süssmostkonsum ist von 470'000 hl im nassen Jahre 1945 auf 410'000 hl im trockenen Jahr 1946 zurückgegangen, und im rekordheissen Jahr 1947 wird er auf 400'000 hl geschätzt. Also ein Umsatzrückgang 1945/47 von 60'000 hl. Wie viel wird er sein in einem kommenden kühlen Jahr?

Es ist, denn doch allerhand, dass der Staat für die Bierbrauer mit ihrer sturen Preispolitik eine solche «Hilfsaktion» unternimmt, denn am Bier ist nur das Wasser schweizerisch, wogegen Süssmost 100% Schweizerprodukt ist. Wie kommt der Staat dazu, den Bierpreis durch Subventionen niedrig zu halten, damit Bier auf alle Zeiten das billigste Getränk bleibt?
Wie lange. geht es, bis Millionen direkte und indirekte Subventionen beschlossen werden zur Verwertung der Mostobstüberschüsse? Wie lange geht es, bis durch diese Bierpreispolitik die Süssmostereien mit ihren teuren, erst teilweise abgeschriebenen Anlagen schlimm dran sind und womöglich der Staat helfen muss? Wahrhaftig: der König Alkohol regiert!
Und die andere Ausrede, die Brauer könnten sonst keine genügenden Teuerungszulagen und Löhne bezahlen. Das fehlte noch! Nirgends ist die Gewerkschaft so stark, wie gegenüber den Bierbrauern. Eine Pressekampagne wegen ungenügender Löhne gegen sie müsste katastrophale Folgen haben. Ist es da notwendig, dass die Gewerkschaften nach Bern pilgern, um ihren Herren zu helfen und dort um Subventionen zu betteln? Aber eben, der König Alkohol streckt seine Krallen bis in die Gewerkschaften hinein.

England erhob unter sozialdemokratischer Regierung 96 Rappen Steuer pro Liter Bier, die sozialdemokratische Regierung Schwedens 30 bis 54 Öre (= 36 bis 65 Rappen), Norwegen 97 Öre (= 84 Rappen), Dänemark 26 bis 56 Öre (= 23 bis 5G Rappen), die Schweiz aber, sage und schreibe nur 6 Rappen!

Was, sagt die Bauernpartei zur Schmutzkonkurrenz des Bieres mit staatlicher Hilfe gegen den Süssmost und den inländischen Wein? Gar nichts sagt die Bauernpartei dazu, denn auch sie wagt nicht, gegen den König Alkohol aufzustehen, weil sie dessen schwere Band fürchtet. Auch dort regiert der König Alkohol.
.
Lebens- und Genussmittel kosten durchschnittlich 70% mehr als vor dem Krieg. Wem will man weismachen, dass ein Preisaufschlag von 40% auf Bier mit vollem Gehalt untragbar wäre? Dann aber hätte der Staat, was ihm gehört: 15 Rappen Biersteuer pro Liter. Dann hätte der Brauer, ohne die Bettelhand nach Bern auszustrecken, den notwendigen Preis. Dann hätte auch der Wirt einen bescheidenen Mehrverdienst. Es geht nämlich nicht an, dass auf den alkoholfreien Getränken, wie Tee, Kaffee, Sirup, Mineralwasser, mehr verdient wird, damit sich der Wirt beim Bier mit einigen Rappen pro Glas begnügen kann. Auch das ist eine Subvention, eine Abgabe, zu entrichten durch den Konsumenten auf den alkholfreien Getränken zugunsten des Alkohols.

Man sage uns, welcher Fabrikant, welcher Händler nach Bern laufen kann und dort die Umsatzsteuer oder den Zoll ermässigt erhält, weil er nicht genug verdient. Die Grossbrauer aber bringen das fertig. Man komme uns nicht mit dem lächerlichen Einwand, man wolle die kleinen Brauer vor dem Ruin schützen. Schon jetzt haben sie weniger Biersteuer zu bezahlen als die Grossbrauer. Durch eine Ausgleichskasse zwischen Grossen und Kleinen Differenz soweit erhöht werden kann, dass die Kleinen bestehen können. Das Finanzdepartement hat mit der Drohung der Erhöhung der Biersteuer die Macht in der Hand, eine Ausgleichskasse ganz nach seinem Willen erstehen zu lassen. Der alte Berner Schwindel: man schützt die Kleinen vor, um den Willen und das Interesse der Grossen durchzusetzen.

Das ist es, wogegen wir unablässig kämpfen werden, dass die grossen Truste und Kartelle in Bern das Heft in Händen haben und die Kleinen auf alle Zeiten das Heer der Gesuchsteller und Bittgänger darstellen sollen.

Und zum Schluss: Wie viel geistiges, körperliches und Schulden Elend, wie viel Familien-Unglück hat unmässiger Alkoholgenuss auf dam Gewissen! Wie verwerflich ist es, dass der Staat hier Mitschuldiger ist und der Steuerzahler die vielen Millionen, die das Alkoholelend den Staat kostet, dazu aufbringen muss auch der kleine Steuerzahler?
Gottlieb Duttweiler.

(Wir Brückenbauer, Wochenblatt des sozialen Kapitals, Organ des Migros-Genossenschaftsbundes, 6. Jahrgang, Nr. 4, 22. August 1947)
Duttweiler, Gottlieb, "Dutti", 1888 - 1962, Gründer der Migros (Verzicht auf den Verkauf von Alkohol und Tabakwaren) und des Landesrings der Unabhängigen, 1935 - 1962 Parlamentarier. (Historisches Lexikon der Schweiz, Geschichte der Migros, Landesring der Unabhängigen)
"König Alkohol", Roman von Jack London (1876 - 1916) (Biographie bei Wikipedia)  
1913 unter dem Titel "John Barleycorn" veröffentlicht. ( John Barleycorn - John Gerstenkorn - ist eine spöttische, meist verharmlosende Bezeichnung für den Alkohol.) Hier finden Sie den Text der Englischen Ausgabe; von der deutschen Ausgabe ist nur Kapitel 25 online.

Fiskalische Belastung des Bieres je hl
(Auszüge, bis 30.06.07)

Gültig ab
Zollzu-
schläge
Biersteuer
WUST
/MWST
Total
%
05.10.1927
2.18
   
2.18
5,38
01.01.1935
6.00
4.00
 
10.00
24,69
01.04.1941
6.00
12.00
 
18.00
35,29
01.10.1941
6.00
12.00
0.765
18.765
36,79
01.10.1944
1.00
6.00
1.53
8.53
16,73
01.01.1959
3.00
6.00
1.62
10.62
17,7
01.06.1980
3.30
7.50
9.35
20.15
17,7
01.07.1995
 
25.57
13.45
39.02
17,7
01.01.2002
 
24.57
15.02
39.37
*18,7
(*ab 1998 geänderte Berechnungsgrundlage)
Quelle: Botschaft zum Bundesgesetz über die Biersteuer

Mehr zur Biersteuer
(Die Texte und Ergänzungen dienen nur der alkoholpolitischen Orientierung; rechtlich gültig sind nur die Texte auf admin.ch)

Beiträge zur Alkohol-Geschichte der Schweiz  (Einleitung, Index)
Alkoholpolitik im Dienste der Gesundheit (Einleitung, Index)

http://www.edimuster.ch/: Hier ist die Familie Muster in Ecublens VD - Eduard Muster: emuster@hotmail.com 12/07/07